Als zweites Land auf seiner Afrika-Reise hat Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) Ghana. Der Kanzler, der von Landwirtschaftsminister Norbert Totschnig (ÖVP) und einer Wirtschaftsdelegation begleitet wird, eröffnete am Mittwochvormittag ein Wirtschaftsforum in Ghanas Hauptstadt Accra. Im Anschluss besuchte Nehammer, der als erster Bundeskanzler in das 1957 von Großbritannien unabhängig gewordene Land reist, die National Dog Academy, mit der das Bundesheer kooperiert.

In diesem Trainingszentrum werden neben Militärhunden der ghanaischen Armee auch die Diensthunde von Behörden wie der Justiz, des Zolls oder der Polizei ausgebildet. Ziel des Projektes sei es, die Hundeführerausbildung in Ghana zu fördern, um künftig mit gut ausgebildeten Hunden das Grenzmanagement zu verbessern und die organisierte Kriminalität besser bekämpfen zu können, so der Bundeskanzler. "Österreich und Ghana zeichnet eine langjährige militärische und sicherheitspolitische Zusammenarbeit aus, im Rahmen der wir nun auch weitere Diensthunde für die ghanaischen Behörden zur Verfügung stellen", kündigte Nehammer an.

Im Anschluss wird Nehammer von Präsident Nana Akufo-Addo zu bilateralen Gesprächen empfangen. Der 76-Jährige war im Dezember 2020 wiedergewählt worden. Er setzte sich damals gegen seinen langjährigen Widersacher, Ex-Präsident John Dramani Mahama, durch. Der Vorsitzende der regierenden New Patriotic Party (NPP) erhielt etwa 51,6 Prozent der abgegebenen Stimmen. Mahama – Parteichef des National Democratic Congress (NDC) – kam auf knapp 47,4 Prozent. Die beiden Kontrahenten standen sich bereits zum dritten Mal in einer Wahl ums höchste Staatsamt gegenüber. Bisher hatte jeder jeweils einmal gewonnen, Akufo-Addo 2016 und Mahama 2012.

Außenpolitisch setzt Ghana auf eine Politik der guten Nachbarschaft, eine panafrikanische Ausrichtung und subregionale Integration in der Wirtschaftsgemeinschaft westafrikanischer Staaten (ECOWAS). Das Ziel Ghanas ist es, die ECOWAS dem Vorbild der EU entsprechend zu entwickeln, mittelfristig soll auch eine gemeinsame Währung entwickelt werden. Akufo-Addo, der sich als Vermittler der Krisen in Côte d'Ivoire, Guinea und Mali profilieren konnte, war auch maßgeblich dafür verantwortlich, dass die ECOWAS die Militärputsche in Burkina Faso, Guinea und Mali verurteilte.

Die Beziehungen zu Österreich gelten als ausgezeichnet. Akufo-Addo war 2018 bei einem hochrangigen Forum und 2019 beim Austrian World Summit in Wien. 2021 eröffnete das westafrikanische Land erstmals eine Botschaft in Österreich. 2022 spendete Österreich 345.100 Dosen des Covid-Impfstoffes von AstraZeneca an Ghana, das als eine der stabilsten Demokratien in Westafrika gilt.

Momentan durchlebt das Land aber eine schwere Wirtschaftskrise. Die Covid-Pandemie und der Ukraine-Krieg hatten zu einem Versickern der Staatseinnahmen geführt, die Schulden konnten so nicht mehr bedient werden. Investitionswillige Unternehmen erhielten kaum erschwingliche Kredite, da sich der öffentliche Sektor in den vergangenen Jahren so viel Geld geliehen hatte, dass für die Wirtschaft nichts übrig blieb. Mittlerweile beträgt die Staatsverschuldung fast 50 Milliarden Dollar (45,78 Milliarden Euro), das sind fast 80 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Jeder dritte Jugendliche und junge Erwachsene ist ohne Job, fast ein Viertel der Bevölkerung lebt unter der Armutsgrenze.

Das 33-Millionen-Einwohner-Land ist der weltweit zweitgrößte Kakaoproduzent, die Importe Österreichs aus Ghana bestehen fast ausschließlich aus Kakaobohnen. Zudem ist Ghana einer der wichtigsten Goldproduzenten Afrikas. Seit 2011 ist auch Erdöl ein wichtiger Devisenbringer für das flächenmäßig ungefähr dreimal so große Land wie Österreich. 90 Prozent der im Land benötigten Nahrungsmittel werden in Ghana produziert. Während Ghana noch vor wenigen Jahren zu den am schnellsten wachsenden Volkswirtschaften Afrikas zählte, setzen Inflation und Währungsverfall den Menschen mittlerweile aber stark zu.

Zahlreiche österreichische Unternehmen sind laut Wirtschaftskammer in Ghana vertreten. So hat die Firma Vamed über 200 Mitarbeiter im Land und über 58 Krankenhäuser in den vergangenen Jahren eingerichtet. Andritz Hydro rüstete bisher Wasserkraftwerke mit einer Kapazität von 1400 Megawatt aus, was 90 Prozent des gesamten durch Wasserkraft gewonnen Stroms in Ghana entspricht. Die Firma Komptech lieferte seit 2018 Müllrecyclinganlagen im Wert von 60 Millionen Euro in das westafrikanische Land.

Eine zentrale Herausforderung für Ghana ist die wachsende soziale und regionale Ungleichheit. Vor allem die nördlichen Landesteile sind von der Entwicklung der wirtschaftlich starken Küstenregion und der Städte abgekoppelt. Sorge macht Experten auch das Risiko, dass bewaffnete Gruppen aus dem angrenzenden Burkina Faso ihre Aktivitäten auf Ghana ausdehnen könnten. Aktuell ist die Situation relativ stabil, finanzielle Unterstützung beim Grenzschutz und der Terrorismusbekämpfung erhält Ghana von der Europäischen Union.