Sie sind die obersten Wächter über Österreichs Verfassung, sie wahren Grundrechte, regeln Streit im U-Ausschuss, korrigieren Gesetze oder heben sie sogar auf: die 14 Mitglieder des Verfassungsgerichtshofes, allesamt hoch qualifizierte Juristen. Dass dieses Gremium über seine Rechtsprechung hinaus an die Öffentlichkeit tritt, ist äußerst selten.

Aber nicht diesmal: Es geht um die Berufstätigkeit der Höchstrichter – derzeit können Verfassungsrichter aus allen juristischen Berufen kommen, etwa gleichzeitig auch Anwalt sein. Bei umstrittenen Fällen kann das dazu führen, dass Höchstrichter in der Öffentlichkeit auch als entschlossene Vertreter einer Verfahrenspartei auftreten.

"Die Mitglieder des VfGH verschließen sich nicht einer sachlichen Diskussion darüber", sagt VfGH-Präsident Christoph Grabenwarter im Gespräch mit der Kleinen Zeitung – er mahnt aber die Wahrung der Unabhängigkeit des Gerichts ein und ein "behutsames Drehen an kleinen Schrauben, flankierende, gut abgestimmte Maßnahmen statt einer einfachen Radikallösung".

Teichtmeister-Vertreter und Fellner-Kläger

Der Ausgangspunkt der Diskussion hat einen Namen: Michael Rami. Der 2018 auf Vorschlag der FPÖ ernannte Jurist ist hauptberuflich (exzellenter) Medienanwalt. Damit steht Rami auch in prominenten Fällen Mandanten bei – und tritt so selbst an die Öffentlichkeit. Das war so, als er einst den damaligen FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache vertrat und als er Journalistinnen vertrat, die "Österreich"-Chef Wolfgang Fellner wegen sexueller Übergriffe klagten – was ihm eine Kampagne der Fellner-Medien gegen ihn eintrug. Und das ist nun so, da er den Besitzes Missbrauchsdarstellungen Minderjähriger geständigen Schauspieler Florian Teichtmeister vertritt.

"Was seine Doppelrolle am VfGH betrifft, haben wir in der Vergangenheit intern mehrfach versucht, Kollegen Rami zu mehr öffentlicher Zurückhaltung in der Ausübung des Anwaltsberufs zu bewegen", sagt Grabenwarter. Er sei "vorsichtig optimistisch, dass das nicht ohne Wirkung bleiben wird".

Die Regeln für Befangenheit – "größtmögliches Herausnehmen jener Personen aus Entscheidungen, bei denen auch nur ein Anschein der Befangenheit besteht" – nehme der Gerichtshof sehr ernst, sagt Grabenwarter: Das habe sich etwa in den Fällen Ex-Justizministers Brandstetter oder ÖVP-Anwalts Suppan gezeigt und werde auch Rami so handhaben.

Deutsche Höchstrichter dürfen nur für Uni arbeiten

Der Fall Rami zeige aber deutlich die Folgen davon auf, dass Verfassungsrichter weiterhin als Anwälte tätig sein dürfen, so der Präsident. In Deutschland ist das untersagt, dort dürfen sie neben ihrem Richteramt nur als Hochschullehrer fungieren. Rami selbst schweigt zu der Diskussion um die Berufstätigkeit: "Bitte um Verständnis, dass ich zu Angelegenheiten des VfGH nie etwas in der Öffentlichkeit sage", so der Anwalt zur Kleinen Zeitung. Attacken der Fellner-Medien weist er zurück: "Es ist leicht erkennbar, dass das wieder einer der zahlreichen unseriösen Angriffe von 'oe24' gegen mich ist."

Für eine Änderung der Berufsregeln der Höchstrichter bräuchte es eine Zweidrittelmehrheit – und der Zeitpunkt für eine Debatte wäre günstig: Nach einer Richterin 2025 treten erst wieder ab 2029 Mitglieder in Ruhestand – dann aber gleich eine ganze Reihe. Weil keine Partei weiß, wer dann an der Macht ist, könnte jetzt ein gutes Zeitfenster sein, neue Regeln für die Höchstrichter festzuschrauben – etwa auch eine ebenfalls angeregte Zweidrittelmehrheit bei der Nominierung.

Mit der Wortmeldung des VfGH ist eine Reform ein Stück wahrscheinlicher geworden.