"Ein guter Tag für diese Regierungskoalition, die Exekutive und die Bevölkerung" sei der heutige Montag, befand ÖVP-Generalsekretär Christian Stocker bei einer Pressekonferenz im Parlament. Denn ÖVP und Grüne präsentierten heute den Regierungsentwurf zur Schaffung einer "unabhängigen Polizeibeschwerdestelle", die allen Menschen in Österreich offenstehen und auch anonyme Beschwerden entgegennehmen soll.

Konkret soll die Stelle laut Justizministerium etwa handeln, wenn Polizistinnen oder Polizisten:

  • Vorsätzlich und ohne Anlass Gewalt anwenden. Zum Beispiel, wenn am Boden liegende, wehrlose Demonstranten grundlos getreten werden.
  • Überschießende Mittel einsetzen. Etwa, wenn im Zuge einer Festnahme unnötig brutal vorgegangen wird.
  • Eine Person unmenschlich oder erniedrigend behandeln. Zum Beispiel, wenn jemand in Unterhose abgeführt wird, obwohl er sich noch eine Hose hätte anziehen können.

Polizisten ermitteln gegen Polizisten

Die sogenannte "Ermittlungs- und Beschwerdestelle Misshandlungsvorwürfe" (EBS) soll alle Vorwürfe gegen Polizistinnen und Polizisten prüfen und aufarbeiten. Neu ist, dass sich die Polizei nicht nur selbst untersuchen wird: Die Stelle wird im Bundesamt für Korruptionsprävention und -bekämpfung (BAK) angesiedelt, Soziologinnen und Psychologen sollen den Kriminalbeamtinnen und -beamten zur Seite stehen.

Darüber steht ein interdisziplinärer Beirat aus Expertinnen und Experten verschiedener Bereiche wie Opferrechte, Psychologie oder Forensik, erklärte Justizministerin Alma Zadić (Grüne). Bestellt wird der Beirat von Innen- und Justizministerium, aber auch Ärztekammer, Zivilgesellschaft und Verfassungsgerichtshof. Weisungen an das BAK im Zusammenhang mit der Tätigkeit der Ermittlungs- und Beschwerdestelle Misshandlungsvorwürfe müssen stets schriftlich erteilt und auch dem Beirat übermittelt werden.

Auch künftig werden Polizistinnen und Polizisten gegen ihre eigenen Kolleginnen und Kollegen ermitteln. Man habe sich bewusst dafür entschieden, keine reine Ombudsstelle zu schaffen, erklärte Bürstmayr: Die Stelle sei im Rahmen des Innenministeriums, aber außerhalb der Sicherheitsverwaltung platziert, "damit sie, wenn notwendig, Hausdurchsuchungen anordnen, Spuren sichern und Verdächtige verhaften kann". Dafür brauche es polizeiliche Befugnisse.

Rascher Beschluss angepeilt

Insgesamt sei das Projekt ein "echter Paradigmenwechsel im Umgang mit Gewalt- und Misshandlungsvorwürfen", ist Zadić überzeugt. Grünen-Abgeordneter Georg Bürstmayr freut sich auch für die Polizistinnen und Polizisten, die künftig nicht mehr unter dem Generalverdacht stünden, bei Verfehlungen der Kollegenschaft wegzuschauen. Die Polizei habe nun die Möglichkeit, das Vertrauen der Bevölkerung zu stärken. Das sei wichtig, denn: "Eine Polizei, der nicht vertraut wird, kann keine Sicherheit nicht herstellen", so der Rechtsanwalt.

Durch die Vielzahl der Amtshandlungen, die die rund 30.000 Polizistinnnen und Polizisten in Österreich durchführen würden, gebe es immer wieder "Vorfälle, die nicht den hohen Standards entsprechen, die seitens der Bürger und auch der Polizei selbst, eingefordert werden", gestand auch Bundespolizeidirektor Michael Takàcs zu. "Jeder Fall, der nicht korrekt umgesetzt wurde, ist einer zu viel", betonte er. Durch eine unabhängige Untersuchung könnte sichergestellt werden, dass derartige Situationen seltener vorkommen. Denn die Kontrolle wirke sich auch auf Ausbildung und die weitere Vorgehensweise der Polizistinnen und Polizisten aus.

Inhaltlich verantwortlich soll ein stellvertretender Direktor oder eine stellvertretende Direktorin des BAK sein. Budgetiert sind aktuell 4,5 Millionen Euro. Damit soll die Stelle laut Bürstmayr "ausreichend" Personal anstellen können, um mit einem stehenden Team 24 Stunden am Tag auf Verdachtsfälle reagieren und etwa Spuren sichern zu können. Der Entwurf wird nun in Begutachtung geschickt. Die Regierung hofft, dass das Gesetz bereits im April oder Mai im Parlament beschlossen werden kann.

Die Menschenrechts-NGO Amnesty International kritisiert die – noch – fehlende Transparenz im Bestellprozess der Leitung der neuen Meldestelle. Dass das Innenministerium bisher weder Zivilgesellschaft noch internationale Organisationen eingebunden hat, besorgt Amnesty-Geschäftsführerin Annemarie Schlack. Neos-Abgeordnete Stephanie Krisper sieht hingegen grundsätzlich kritisch, dass die Stelle im Innenministerium angesiedelt sein soll: