"Facebook ist mittlerweile das größte, unvorhergesehene Fangbecken für potenzielle Haftungsfallen", sagt Rechtsanwalt Christian Thon aus Wolfsberg. Jetzt wurden Hunderte User vom Osttiroler Anwalt Robert Kerschbaumer geklagt, weil sie das Video eines Kärntner Polizisten im Einsatz geteilt oder kommentiert haben.

Die Aufnahmen zeigen einen Beamten, der im August 2021 im Gurktal auf einem Privatgrundstück wegen einer Lärmerregung vorgefahren ist. Dabei hat der Polizist "wegen einer Bedrohungslage", so sein Anwalt Robert Kerschbaumer, den Pfefferspray in Anschlag gebracht. Gefilmt und gepostet hat den Vorfall der Betroffene selbst. Also jener Mann, der den Einsatz ausgelöst hat.

Kurze Zeit später tauchten zwei Videos des Einsatzes auf Facebook auf, wurden mehr als 600-mal geteilt und kommentiert. Unter anderem wurde dem Polizisten vorgeworfen, dass er den Gurktaler bei dem Einsatz attackiert hätte. Die Vorwürfe seien unwahr, so Anwalt Kerschbaumer. "Mein Mandant hat den Lärmerreger nicht körperlich attackiert und sicher nicht ohne Grund den Pfefferspray in Anschlag gebracht." Es folgte eine Klagsflut gegen die User: 200 sind Kerschbaumer namentlich bekannt, 400 weitere, bisher unbekannte, lässt er ausforschen.

"Kostenschinderei"

Thon und zahlreiche Anwälte vertreten die User. Neu sei die finanzielle Dimension der Klage. "Ich vertrete zwei betroffene User. Sie wurden auf Löschung ihres Beitrages geklagt. Zusätzlich zur Klage kam ein Schreiben mit einem Lösungsvorschlag: Bei einem meiner Mandanten hieß es, wenn er 7250 Euro zahlt und eine Ehrenerklärung unterschreibe, wird die Klage zurückgezogen. Der andere Mandant sollte knapp 3300 Euro zahlen, damit die Klage zurückgenommen wird", erklärt Thon. Er findet das bedenklich, "denn diese Beträge, die hier gefordert werden, sind existenzbedrohend und sachlich nicht gerechtfertigt". Thon: "Der Streitwert in der Klage ist höchstmöglich angesetzt."

Der Klagenfurter Anwalt Philipp Tschernitz sieht das ähnlich problematisch: "Das ist eine massive Kostenschinderei. Zuerst wird geklagt und dann wird ein Vergleich angeboten, damit es nicht zur Klage kommt", sagt er. Bemerkenswert findet Tschernitz auch, dass die Klage erst ein Jahr nach dem Posting eingebracht wurde. Zudem stellt der Anwalt die Frage, was am geteilten Video so schlimm sein soll. "Man sieht einen Polizisten im Einsatz und wenn man sich die Aufnahmen ansieht, macht sich eher der Filmende lächerlich, nicht der Polizist."

"Wer mit dem Feuer spielt, verbrennt sich"

Kerschbaumer hat dazu eine völlig andere Meinung: "Es gibt ein Gesetz gegen Hass im Netz. Nach dem gehen wir vor, mit allen Konsequenzen." Er finde es "super, dass es den Tätern, den Hass-Postern, schlechter geht als den Opfern", so Kerschbaumer. Er werde weiterhin alle rund 600 User verfolgen, die das Video geteilt oder kommentiert haben. "Wenn wir weitere ausforschen, werden auch sie geklagt", sagt Kerschbaumer. Er habe von seinem Mandanten den Auftrag, gegen das Täterpublikum, das sich einen Spaß daraus macht, eine digitale Hetzjagd auf einen unschuldigen Polizisten zu veranstalten, die gesetzlichen Konsequenzen in Anwendung zu bringen.

"Jeder, der sich an der digitalen Steinigung meines Mandanten beteiligt hat, muss mit mindestens vierstelligen Kostenbelastungen rechnen", sagt Kerschbaumer. Allein für die Gerichtsgebühr der Löschungsklagen sind 1556 Euro zu bezahlen. "Straf- und medienrechtliche Klagen sowie Schadenersatzklagen wegen Rufschädigung und Verletzung des Bildnisschutzes und des Grundrechtes auf Datenschutz werden noch folgen", sagt Kerschbaumer. "Wer mit dem Feuer spielt, wird sich verbrennen."

"Polizist muss das aushalten"

Tschernitz und Thon vertreten Mandanten, die das Posting "nur kommentarlos geteilt haben, ohne einen eigenen diffamierenden und beleidigenden Kommentar hinzuzufügen". Ein anderer Mandant von Thon hat das Posting kommentiert und nicht selbst geteilt. "In seinem Kommentar fordert der Beklagte sinngemäß, dass der Polizist suspendiert gehört." Thon findet: "Ein Polizist im Einsatz muss so etwas aushalten, ein Polizist im Einsatz muss erhöhte Kritik einstecken können." Aufgrund des Rechts auf freie Meinungsäußerung müsse so ein Kommentar zulässig sein.  Deshalb habe sein Mandant diesen Kommentar vorerst nicht gelöscht, sondern er werde es auf einen Prozess ankommen lassen. Das Problem: "Das Kostenrisiko eines Prozesses liegt in diesem Fall im fünfstelligen Bereich."