Nach fünf Jahren Umbauzeit eröffnete am Donnerstag das historische Parlamentsgebäude an der Wiener Ringstraße. "Wir sind wieder daheim. Das Hohe Haus hat uns wieder und wir haben das Hohe Haus wieder", zeigte sich Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka nach Georg Friedrich Händels "La Réjouissance" – der Jubel – dankbar, das renovierte Haus eröffnen zu dürfen. Der Beginn der ersten Rede im neuen Parlament stand ganz im Zeichen des Danks an die vielen Baumeisterinnen und Baumeister der Renovierung. Doch der Festakt wurde auch zu einer Stunde der Mahnung und der guten Vorsätze.

"Mit der Wiedereröffnung schlägt das Herz der Demokratie wieder in diesem historischen Gebäude", zeigte sich Bundesratspräsident Günter Kovacs erfreut. Wie auch Sobotka erinnert er an die verstorbene frühere Nationalratspräsidentin Barbara Prammer, unter der die Renovierung des Parlaments ursprünglich auf den Weg gebracht wurde. Außerdem sprach auch er das steigende Misstrauen gegenüber der Demokratie an. Der Präsident der Länderkammer hofft, im renovierten Gebäude gemeinsam mit seinen Kolleginnen und Kollegen in den Kammern des Parlaments gegensteuern zu können: Das neue Gebäude sei ein Signal der Demokratie, "an uns allen liegt es, dass dieses Signal auch gehört wird".

Blicke hinter die Kulissen

Den "massiven Vertrauensverlust" sprach auch die zweite Nationalratspräsidentin Doris Bures an: Umso mehr müsse es nun daher auch um eine "grundlegende Sanierung der Demokratie und ihrer Institutionen gehen". Mit Aufrichtigkeit und Mut solle man daher im "Haus des Volkes" einer offenen Fehlerkultur entgegengehen. Einen besonderen Dank sprach Bures den von ihr eingeladenen Ehrengästen aus: Die Lehrlinge, die an der Sanierung mitgearbeitet haben. "Ihr könnt mit Fug und Recht stolz auf eure Leistung in diesem Herzen der Demokratie sein", richtete sie den Lehrlingen aus.

Als ehemaliger Mechaniker zeigte sich der dritte Nationalratspräsident Norbert Hofer besonders erfreut, dass auch Menschen vor Ort seien, "die noch wissen, wie man eine Flex bedient". Er gab den Lehrlingen, aber vor allem seinen Kolleginnen und Kollegen des Parlaments mit: Seine Meinung nie zu ändern, sei eine Schwäche. Von Stärke würde zeugen, wenn man die eigenen Positionen ständig hinterfragen und an die Zeiten anpassen würde.

Weniger Applaus für Schäuble

50 Jahre lange Erfahrung damit hat Wolfgang Schäuble: Kein Abgeordneter saß länger im Deutschen Bundestag als der frühere deutsche Innen- und Finanzminister. In seiner Festrede betonte er die Notwendigkeit von Checks and Balances: "Wir in Deutschland haben lange gebraucht, bis wir von einer geglückten Demokratie sprechen konnten." "Wege, Irrwege und Umwege" würden den Pfad dahin gut beschreiben. Demokratie sei nicht selbstverständlich, man müsse sie sich immer wieder erarbeiten, mahnte Schäuble.

Man solle Acht geben, legitime Positionen nicht aus dem Diskurs zu drängen, forderte Schäuble: Nicht jeder, der die Coronamaßnahmen kritisiert habe, sei ein Verschwörungstheoretiker, erinnerte der Festredner Schäuble etwa. Dass der CDU-Abgeordnete nicht auf den Wunsch aller Fraktionen geladen wurde, zeigte sich allerdings im Laufe seiner Rede immer mehr. Der Applaus von SPÖ und Grünen blieb aus, als Schäuble etwa feststellte, dass man auch ohne zu gendern für Gleichstellung eintreten könne. Bei allen anderen Ansprachen war die Zustimmung über die Parteigrenzen einheitlich stark gegeben.

Wochenende der offenen Tür

Wenn Sie sich selbst ein Bild von dem um rund 350 Millionen Euro sanierten Gebäude machen wollen, haben Sie dazu am Wochenende (14. und 15. Jänner) Gelegenheit. Zu entdecken gibt es dabei etwa den Nationalratssaal mit seiner neuen spektakulären Glaskuppel, den neuen Sitzungssaal des Bundesrats und den Bundesversammlungssaal, wo am 26. Jänner die Angelobung des Bundespräsidenten stattfinden wird. In der Säulenhalle gibt es die Möglichkeit, Vertretern aller Parlamentsfraktionen zu begegnen.

Ein speziell angefertigtes Briefmarken-Set, das an den Tagen der offenen Tür im Parlament mit einem exklusiven Ersttagsstempel angeboten wird, und die Fünf-Euro-Demokratiemünze, gefertigt aus dem Kupferdach des historischen Parlamentsgebäudes, stehen zum Kauf bereit.

Geöffnet ist das neu sanierte Parlamentsgebäude am Samstag und Sonntag von 10.00 bis 17.00 Uhr, letzter Einlass ist um 16.00 Uhr. Eine Anmeldung ist nicht notwendig.

Weitere Infos gibt es hier.

Auch Parlamentshomepage erneuert

Alternativ können Sie sich dem neuen Parlament über dessen ebenfalls rundum erneuerte Homepage annähern. Neu sind unter anderem Vorstellungsvideos aller Abgeordneten, ein viel intuitiveres Interface und Open-Data-Schnittstellen für Forscher und andere professionelle User.