Der Prozess gegen den früheren Planungssprecher der Grünen im Rathaus, Christoph Chorherr, und zahlreiche Prominente aus der Bau-Branche von René Benko bis Michael Tojner wurde am heutigen Dienstag fortgesetzt. Neos-Chefin Beate Meinl-Reisinger und die frühere Wiener Vizebürgermeisterin Maria Vassilakou (Grüne) bestätigten als Zeuginnen das Bild der Nähe zwischen der Baubranche und dem Ex-Grünen-Chef. Chorherrs Parteifreundin Vassilakou entlastete ihn aber inhaltlich.

Chorherr wird vorgeworfen, als Mitglied des Wiener Gemeinderats von Immobilienunternehmern Geld für einen gemeinnützigen Verein gesammelt zu haben. Im Gegenzug sollen sich die Spender Vorteile bei Widmungsverfahren in Wien versprochen haben. Meinl-Reisinger sprach als Zeugin gar von einem "Ondit, dass ohne Mag. Chorherr nichts geht in Bausachen". Die Vorwürfe lauten Anstiftung zum Amtsmissbrauch, Bestechung und Bestechlichkeit. Alle Beschuldigten weisen dies zurück, es gilt die Unschuldsvermutung.

Der frühere Grünen-Chef Christoph Chorherr ist heute Bäcker - und Angeklagter
Der frühere Grünen-Chef Christoph Chorherr ist heute Bäcker - und Angeklagter © APA/EVA MANHART

Umstrittene Grüne als wichtigste Zeugin

Vassilakou galt als wichtigste Zeugin im Prozess. Immerhin war sie als Stadträtin für Planung und Verkehr von 2010 bis 2019 auch für Widmungsfragen zuständig, wie sie heute bekräftigte: "Die zentrale Figur, ob ein Projekt dem Gemeinderat vorgelegt wird, ist die Planungsstadträtin, in diesem Fall ich." Sie habe jederzeit die Möglichkeit gehabt, ein Projekt zurückzuziehen.

Chorherr selbst hatte die griechisch-österreichische Staatsbürgerin 2005 erfolgreich für seine Nachfolge als Chefin der Wiener Grünen vorgeschlagen. Unter ihrer Führung schaffte es die Partei dann erstmals in die Hauptstadt-Koalition – und ohne amtsführenden Stadtratsposten in Grün hätten Immobilientycoons auch nicht auf Chorherr einwirken können.

Die frühere Wiener Vizebürgermeisterin Maria Vassilakou (Grüne) entlastete Chorherr
Die frühere Wiener Vizebürgermeisterin Maria Vassilakou (Grüne) entlastete Chorherr © APA/EVA MANHART

Umstrittenes Hochhaus am Heumarkt

Das Projekt Heumarkt rund um ein Hochhaus am Rande der Wiener Innenstadt sorgte schon Ende 2016 für Aufregung in der grünen Partei und darüber hinaus: Durch den im Wiener Gemeinderat gegen den Willen der grünen Basis genehmigten 74-Meter hohen Bau der Firma von Michael Tojner könnte die Wiener Innenstadt sogar den Weltkulturerbe-Status verlieren, wurde gewarnt. Mittlerweile wurde der Plan angepasst, das Haus wird nun nicht mehr ganz so hoch und das Weltkulturerbe gilt als gesichert.

Für Kontroversen sorgt die Planung aber weiterhin, denn die WKStA ortet auch bei dieser Bewilligung einen Zusammenhang mit Spenden an Chorherrs Verein. Tojner und Chorherr bestreiten das. Dass Projektwerber für Vorhaben um Unterstützung werben würden, sei normal, befand Vassilakou. Diese würden sich "traditionell" an so viele Personen wie möglich - auch an sie damals - wenden. Als die Kritik am Heumarkt-Projekt anstieg, habe ihr Chorherr aber geraten, das Projekt nicht weiterzuverfolgen. Chorherr sei "sicher" jemand gewesen, mit dem sie sich beraten habe - aber keinesfalls der einzige oder maßgeblichste, wie sie beteuerte. 

Die Befragung der früheren Wiener Vizebürgermeisterin war aber nicht nur inhaltlich von besonderem Interesse: Mit dem Umbau der Mariahilfer Straße zu einer Fußgängerzone war die umstrittene Politikerin zur Zielscheibe des Wiener Boulevards geworden. Nach ihrem Rückzug aus der Stadtpolitik wurde es aber rasch still um die heute 53-Jährige. Beruflich veränderte sich die frühere Planungsstadträtin aber nur wenig: Unter der Marke "Vienna Solutions" berät sie heute in Sachen Stadtentwicklung.

Neos-Chefin: "Ondit, dass ohne Chorherr nichts geht in Bausachen"

Neos-Chefin Beate Meinl-Reisinger ist in der Politik aufgestiegen, anstatt auszusteigen. Von 2015 bis 2018 war sie für die damals oppositionellen Neos Klubobfrau im Rathaus. Im Rahmen des umstrittenen Heumarkt-Projekts sei auch sie von Tojner kontaktiert worden, erzählte Meinl-Reisinger heute als Zeugin vor Gericht. Nachdem bekannt worden war, dass die Grünen nicht geschlossen für die Widmung stimmen würden, habe der Unternehmer wissen wollen, wie die Neos votieren würden.

Neos-Chefin Beate Meinl-Reisinger hatte in ihrer Zeit in der Wiener Stadtpolitik nicht nur Gutes über Chorherr gehört
Neos-Chefin Beate Meinl-Reisinger hatte in ihrer Zeit in der Wiener Stadtpolitik nicht nur Gutes über Chorherr gehört © APA/EVA MANHART

Tojner habe ihrer Partei 2017 – also genau im Jahr der benötigten Baubewilligung – eine Spende angeboten, erzählt Meinl-Reisinger. Bei ihrer Befragung durch die Staatsanwaltschaft hatte sie noch das Jahr 2015 genannt, das sei ein Irrtum gewesen. Ihr Bauchgefühl habe ihr aber gesagt, dass eine Parteispende im Jahr einer umstrittenen Abstimmung aber nicht gehe, erklärte sie. Die Neos stimmten dann auch geschlossen gegen das Projekt.

Die Gerüchte, dass ohne Chorherr bei Bausachen in Wien nichts ging, hat auch die frühere Neos-Wien-Chefin wahrgenommen. Das sei aber nicht ihre eigene Wahrnehmung, betonte Meinl-Reisinger. Vassilakou hingegen habe das Projekt sicher vorangetrieben. Zur Frage von Unvereinbarkeiten von Chorherrs Funktionen im Verein S2arch mit Causen, die im Gemeinderat abgestimmt wurden, meinte die Neos-Chefin, sie wisse, dass der damalige Grünen-Mandatar einmal an einer Abstimmung nicht teilgenommen habe. Chorherr selbst betonte, dies sei mehrmals geschehen. Auch mehrere Befangenheitserklärungen habe er abgegeben.