Kein Schild verrät an den diversen Eingangstoren, was sich hinter den blickdichten Zäunen verbirgt. Nur überdimensionierte Parabolantennen auf den Dächern weisen darauf hin, dass es sich um keine gewöhnliche Siedlung handelt, die im Laufe der Jahre zwischen Stadlau und der Seestadt entstanden ist und im Volksmund als "Russen-City" firmiert.

Kaum eine westliche Hauptstadt ist so von russischen Geheimdienstleuten infiltriert wie Wien. Nach Informationen aus Regierungskreisen sitzt jeder vierte russische Spion, der in Europa sein Unwesen treibt, in Österreich. Nach der Zwangsausweisung von mehr als 400 russischen Diplomaten aus der EU habe, so heißt es, Wien sogar an Bedeutung gewonnen. Um Russland wegen der anhaltenden wirtschaftlichen Verflechtungen nicht vor den Kopf zu stoßen, schickte Österreich nur vier Diplomaten heim.

Der Spion, der Sozialhilfe beantragt hat

Laut heimischen Gesetzen können Spione hierzulande ungehindert operieren, solange sie nicht den Staat oder österreichische Unternehmen ausspionieren. Das ist eher die Ausnahme. Am Montag wurde bekannt, dass ein 39-jähriger Grieche mit russischen Wurzeln im Verdacht steht, mehrere Jahre für den russischen Militärgeheimdienst zum Nachteil Österreichs operiert zu haben. Bei einer Hausdurchsuchung wurden Handys, Laptops und Tablets sichergestellt. Hunderttausende Fotos und zehn Millionen Dateien fielen dem Staatsschutz in die Hände. Der Grieche, dessen Vater russischer Diplomat in Österreich wie auch in Deutschland gewesen sein soll, soll mehrere Liegenschaften im Großraum Wien besitzen und Sozialhilfe bezogen haben.

Hochzeit im Altaussee

Die "Financial Times" hat erst jüngst unter Berufung auf europäische Geheimdienstkreise Österreich als "veritablen Flugzeugträger" für russische Aktivitäten in Europa genannt. So enthüllt Thomas Riegler in seinem Buch "Österreichs geheime Dienst", dass jene beiden russischen Agenten des russischen Militärgeheimdienstes, die im Oktober 2014 ein Munitionsdepot im tschechischen Vrbetice in die Luft gesprengt haben, über Wien nach Moskau zurückgekehrt seien. Anderen Agenten, die die Explosion aus der Nähe beobachtet hatten, hätten von Wien aus operiert. 

Giftpaket am Bahnhof in Innsbruck?

Zwei weitere Beispiele für die österreichische Rolle als Flugzeugträger: Ein russischer Schläfer, der 2011 in Deutschland enttarnt wurde, besorgte unter Vorlage gefälschter Unterlagen 1984 im steirischen Wildalpen einen österreichischen Staatsbürgerschaftsnachweis. Das Päckchen für die Vergiftung des russischen Dissidenten Alexander Litwinenko mit Polonium soll in einem Schließfach am Innsbrucker Hauptbahnhof verwahrt worden sein.

Oberst kommunizierte über Satellit

Erst 2018 flog ein Oberst des Bundesheers auf, der von 1992 bis Ende September 2018 Staats- und Militärgeheimnisse, darunter auch sensible Nato-Geheimnisse, auf die Österreich als Nato-Partner Zugriff hat, an den russischen Geheimdienst verraten und dafür 280.000 Euro erhalten hatte. Die Informationen sandte er über einen russischen Militärsatelliten nach Moskau. Bei der Hausdurchsuchung wurde, so Riegler in seinem Buch, eine Liste mit den genauen Zeitangaben, wann der Satellit bei seiner Umkreisung über Österreich steht, gefunden.

Dubiose Russland-Connection von Marsalek

Moskau bedient sich freilich auch subtilerer Methoden, um Bande mit Österreich zu knüpfen. Die Abhängigkeit von russischer Energie über Gasprom und die OMV hatte in den Jahren vor dem russischen Überfall auf die Ukraine noch zugenommen. Dubios bleiben immer noch die Verbindungen des offenbar nach Moskau geflüchteten Wirecard-Vorstands Jan Marsalek zum BVT.