Der Salzburger Sozialreferent und grüne Landessprecher LHStv. Heinrich Schellhorn hat am Freitag in einer "persönlichen Erklärung" seinen Rücktritt angekündigt. Der 61-Jährige zieht damit die Konsequenzen aus dem vor zwei Wochen bekannt gewordenen Pflegeskandal in einem Heim in der Stadt Salzburg. Über seine Nachfolge berät am Nachmittag der Landesausschuss - das zweithöchste Parteigremium im Land. Wie in einer Pressekonferenz am Abend mitgeteilt wurde, hat sich der Landesausschuss der Grünen - das zweithöchste Parteigremium - einstimmig dafür ausgesprochen, dass Bürgerlisten-Stadträtin Martina Berthold Schellhorns Funktionen übernimmt.

Die grüne Landesversammlung muss den Wechsel am 29. Oktober allerdings noch offiziell absegnen: Berthold soll dann nicht nur LHStv., sondern auch neue Landessprecherin und Spitzenkandidatin für die anstehende Landtagswahl am 23. April 2022 werden.

"Ich habe mich entschieden, mit der Landtagssitzung am 9. November aus der Landesregierung auszuscheiden und auch mein Amt als Landessprecher der Grünen und als Spitzenkandidat für die bevorstehende Landtagswahl zur Verfügung zu stellen", sagte Schellhorn. Der Skandal in dem Pflegeheim der Senecura habe nicht nur ihn berührt und betroffen gemacht. Das Vertrauen der Bevölkerung in die obersten Stellen und in die Heimaufsicht des Landes sei nicht mehr gegeben - und das in einer ohnehin krisengeschüttelten Zeit.

Zur Politik gehöre es auch, Verantwortung zu übernehmen, wenn Fehler passieren und wenn Schutzmechanismen nicht ausreichend waren, betonte Schellhorn. Zudem fehle es ihm an Kraft. Er wolle darum den Weg frei machen für eine neue Person, die mit Optimismus daran arbeite, Lösungen für das Thema Pflege anbieten zu können. Fragen wollte der grüne Landessprecher nach seiner Erklärung nicht beantworten.

Bis zum Steißknochen wund gelegen

In einem Bericht der Volksanwaltschaft waren Anfang September massive Missstände in dem Senecura-Pflegeheim in der Landeshauptstadt bekannt geworden. Bei einer unangekündigten Kontrolle im April 2022 waren gravierende Pflegemängel entdeckt worden - hervorgerufen wohl durch personelle Unterbesetzung, eine sehr hohe Anzahl an Krankenständen sowie Überlastung des Personals.

Eine Kommission stießt auf unterernährte und verwahrloste Bewohnerinnen und Bewohner - eine später verstorbene Frau wog nur mehr 42,5 Kilo und war bereits so wundgelegen, dass durch die offene Wunde der Steißknochen frei zu sehen war. "Die Salzburger Heimaufsicht beschränkt sich auf Empfehlungen, statt einzuschreiten", befand die Volksanwaltschaft in ihrem Bericht - eine Einrichtung, die in das Ressort Schellhorns fällt.

Druck von innen

Dennoch kam sein Rücktritt heute überraschend: Der Soziallandesrat stand zwar unter Kritik, Rücktrittsforderungen waren zuletzt jedoch nur vereinzelt aufgekommen. Er dürfte - gut ein halbes Jahr vor der bevorstehenden Landtagswahl am 23. April 2023 - vor allem parteiintern unter Druck gestanden sein. Der Pflegeskandal ist noch lange nicht ausgestanden, vielmehr dürfte sich die Personalsituation in den Heimen in den kommenden Monaten noch verschärfen. Neben einer bereits laufenden internen Revision des Landes könnte überdies die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses des Landtags drohen.

Auf Schellhorn soll offenbar die Salzburger Bürgerlisten-Stadträtin Martina Berthold folgen. Sie saß bereits von 2013 bis 2018 eine Legislaturperiode lang als Landesrätin in der Landesregierung. Die Personalrochade stellt die Grünen im Bundesland vor der Landtagswahl vor große Herausforderungen. Schellhorn war erst am 2. Juli bei der Landesversammlung mit über 91 Prozent der Stimmen zum Spitzenkandidaten gewählt worden. Nicht ganz so hoch war die Zustimmung bei seiner (Wieder-)Wahl zum Landeschef Mitte Jänner 2022. Die knapp über 83 Prozent waren deutlich weniger als die fast 97 Prozent vom November 2018.

Koalition dankt

Die beiden Koalitionspartner ÖVP und NEOS sowie Landeshauptmann Wilfried Haslauer (ÖVP) sind im Vorfeld von Schellhorn über seinen Rücktritt informiert worden. "Wir haben in der Regierung gut zusammengearbeitet und uns auch menschlich gut verstanden", sagte Haslauer in einer ersten Reaktion. Schellhorn habe aber offenbar der parteiinterne Rückhalt bei den Grünen gefehlt.

Auch Neos-Landesrätin Andrea Klambauer bedankte sich für die gute Zusammenarbeit. Sie schätze sein fröhliches Wesen und seine Verlässlichkeit, sagte sie über Schellhorn. "Von seiner Nachfolgerin erwarte ich, dass die Energiewende in Salzburg kraftvoll vorangetrieben wird und wir bald ein erstes Windrad in Salzburg haben", forderte die Neos-Chefin raschere Lösungen in diesem Bereich.

Opposition kritisiert

Kritischer als die Koalitionspartner ging die Opposition mit dem scheidenden Politiker ins Gericht: Sein Rücktritt sei unvermeidbar gewesen. Er komme leider zwei Wochen zu spät und scheine nicht wirklich ein freiwilliger Schritt gewesen zu sein, meinte der Salzburger SPÖ-Chef David Egger. Ein Austauschen der Köpfe reiche nicht. Es brauche bessere Rahmenbedingungen in der Pflege, mehr Ressourcen für die Heimaufsicht sowie eine Novellierung des Pflegegesetzes.

Die freiheitliche Landesparteiobfrau Marlene Svazek argumentierte ähnlich: "Was jetzt nicht aus den Augen verloren werden darf, sind jene Prozesse, die erst dafür gesorgt haben, dass hier so lange weggesehen wurde." Sie forderte vielmehr eine politische Richtungsänderung.