Pro von Barbara Blaha:

Die fossile Energiekrise macht sich im Alltag bemerkbar: Es steigt die Stromrechnung, die Gasrechnung und auch die Tankrechnung. Dafür klingelt es in den Kassen der großen Energieproduzenten lauter denn je – auch in jener von Österreichs Mineralölriesen OMV. Er erhöhte seine Gewinnspanne massiv. Für die gleiche Leistung wie vor dem Krieg verlangt er das Doppelte. Bezahlen müssen das die heimischen Konsumenten und Betriebe an der Tankstelle.
Doch die Gewinne der OMV kommen nicht einmal indirekt wieder zu den Menschen zurück. Weniger als ein Drittel der OMV ist noch in Staatsbesitz. Selbst nach Kapitalertragsteuer verschwindet die Hälfte der Gewinnausschüttung in den Taschen privater Aktionäre – ein großer Teil davon im Ausland. Das war nicht immer so: Bis Ende der 1990er war die OMV in Staatsbesitz.

Die Privatisierung und Liberalisierung wurden gefeiert. Sie hatten aber nicht nur bei Treibstoffen Konsequenzen, sondern auch für Österreichs Gasversorgung. Im Glauben an den Markt – und die Überlegenheit privater unternehmerischer Entscheidungen – sägte die Republik am Ast, auf dem sie saß. Einen staatlichen Auftrag an die OMV, Österreich mit Gas zu versorgen, gibt es heute nicht (mehr). Ob die Häuser im Winter warm bleiben, die Industrie krachen geht – dafür fühlt sich der Konzern nicht verantwortlich. Stattdessen griff ein auf maximalen Gewinn und Managerboni ausgerichteter Konzern zum günstigen russischen Gas. Gefährdete so die Energiesicherheit des Landes.

“Privat statt Staat” bedeutete: Die Bundesregierungen der 2000er-Jahre ließen die Zügel über die OMV zu locker. Im größten heimischen Unternehmen gelangten Austro-Oligarchen an die Macht. Industrielle mit privaten Geschäftsinteressen im Osten trieben die OMV in die fast vollständige Gas-Abhängigkeit von Russland. Aus 50 Prozent Gaseinkauf aus Russland mit einem klaren Plan zur Reduktion wurden plötzlich 80 Prozent.

Für die unternehmerische Fehlentscheidung lässt sich die OMV den Gaseinkauf aus anderen Quellen mit viel Steuergeld teuer abkaufen. Wie kommen wir aus der Misere heraus? Die Republik erteilt der OMV einen Versorgungsauftrag für Treibstoffe und Gas. Ähnlich wie der Verbund einen für Strom hat. Dann wissen selbst Privataktionäre, dass Versorgungssicherheit Vorrang vor Gewinnmaximierung hat.

Grundsatz muss sein: Die gesamtgesellschaftlichen Interessen stehen an erster Stelle. Staatliches Mehrheitseigentum an Österreichs größtem Mineralölkonzern ist dafür eine Voraussetzung. Zumindest so lange, bis die Energiewende endlich umgesetzt wird und wir nicht länger von fossiler Energie abhängig sind.

Kontra von Hanno Lorenz

Die Energiepreise gehen durch die Decke, die Anbieter dieser Rohstoffe machen Rekordgewinne. Das sorgt für Kritik und bringt Politiker auf populistische Ideen. Die SPÖ fordert nun eine (Rück-)Verstaatlichung der OMV. Doch damit wäre für die Konsumenten nichts gewonnen, im Gegenteil.

Es gibt eine Reihe von Gründen für die hohen Energiepreise. Schuld daran sind etwa die Nachwirkungen der Pandemie und der russische Angriff auf die Ukraine. Keiner dieser Gründe liegt in der Zuständigkeit der OMV. Ein neuer Hauptaktionär würde daran auch nichts ändern. Natürlich könnte der Staat dann mit mehr Nachdruck auf eine Sonderdividende hinwirken und die Einnahmen einstreichen. Allerdings wäre die Politik damit reichlich spät dran. Die großen Gewinne wurden bereits eingefahren, eine Verstaatlichung wäre erst in der Zukunft relevant. Und so hoch wie jetzt werden die Gewinne wohl nicht bleiben.

Bei vollständiger Verstaatlichung könnte der Staat auch auf Gewinne verzichten. Doch mit einer politisch gelenkten OMV werden die Preise in Zukunft sogar höher und nicht niedriger ausfallen. Es ist lange bekannt und vielfach bewiesen, dass Unternehmen besser funktionieren, wenn sie sich am Markt orientieren, statt von politischen Interessen geleitet zu werden. Viele mögen das aus ideologischen Gründen nicht glauben, aber vom Wettbewerb profitieren auch die Konsumenten durch höhere Qualität und niedrigere Preise. Staatsbetriebe arbeiten schlicht weniger effizient.

Derzeit hält die Republik knapp ein Drittel an der OMV. Die Gewinnausschüttung des Konzerns fließt also bereits zu einem Drittel in den Staatshaushalt. Um die Mehrheit zu übernehmen, müssten die bestehenden Aktionäre mit Milliardenbeträgen ausbezahlt werden. Zugleich würde der Staat (und damit jeder einzelne Steuerzahler) auch die Verantwortung für einen Konzern übernehmen, dem eine dramatische Neuausrichtung bevorsteht. Das bisher sehr profitable Gasgeschäft mit Russland dürfte in den kommenden Jahren komplett zum Stillstand kommen.

Mittelfristig wird auch die Energiewende der OMV ein wichtiges Standbein entziehen und enorme Investitionen nötig machen. Das Risiko ist also hoch, dass eine Verstaatlichung den Steuerzahler langfristig viel mehr kosten wird, als sie ihm kurzfristig bringen kann.
Weil die Posse in Österreich spielt, kommt noch ein sehr gewichtiger Punkt dazu: der drohende Postenschacher. Eine verstaatlichte OMV wäre für die Regierungsparteien ein willkommenes neues Spielfeld. Niemand kann das wollen. Deshalb muss der politische Aktionismus genau hier enden. Verstaatlichungen sind der falsche Weg.