Der Fall von Lisa-Maria Kellermayr – jener oberösterreichischen Ärztin, der monatelanger Terror via Internet am Ende das Leben gekostet hat – wirft ein hartes Schlaglicht darauf, wie schwer es Opfern noch immer fällt, gegen Hass im Netz vorzugehen. Und das, obwohl erst Anfang 2021 ein neues Gesetz der türkis-grünen Koalition in Kraft getreten ist, das Opfern die Möglichkeit geben sollte, sich zu wehren.

Denn zahlreiche Lücken bleiben. Die größte davon, das mangelnde Bewusstsein bei den Behörden, trat im Fall Kellermayr überdeutlich zutage. Einige der Botschaften, die die Ärztin per E-Mails erhalten hatte, in denen ein "Claas" plastisch schilderte, wie er Kellermayr umzubringen gedenke, stellten einen klaren Fall Gefährlicher Drohung nach dem Strafgesetzbuch dar.

Grenzüberschreitendes Ermitteln? Geht nicht.

Ein Verdächtiger wurde zwar in Deutschland ausgemacht – dort versandeten die Ermittlungen aber. Das passiere bei Hassbotschaften häufig, sagt Digitalexpertin Ingrid Brodnig am Montag im ORF – Taten im Ausland lassen sich schwer verfolgen. Mit spielt hier eine Besonderheit der Gefährlichen Drohung: Nach Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes sind hier nur dann österreichische Behörden zuständig, wenn sich Täterinnen oder Täter in Österreich befinden.

Eine grenzüberschreitende Ehrenbeleidigung – ein weit geringeres Delikt – darf dagegen ohne Weiteres von Österreich aus verfolgt werden. Ein Problem veralteten Strafrechts, sagen Experten. Erst vor wenigen Wochen warnte Cornelia Koller, Präsidentin der Staatsanwältevereinigung, in der Kleinen Zeitung: "Wir müssen bei Computerkriminalität international arbeiten, weil hier die nationalen Grenzen nicht die Strafrechtsgrenzen sind. Wenn wir hier nicht schneller werden, ist uns die Kriminalität immer einen Schritt voraus."

Der Staat hinkt hinterher

Ein weiteres Problem ist, dass manche Plattformen, auf denen Hass im Netz besonders präsent ist, für die Behörden schlicht nicht greifbar sind. Und keine davon ist so wenig greifbar wie der Messenger- und Diskussionsdienst Telegram, auf dem sich seit Ende 2021 eine Mobbingkampagne gegen Kellermayr formiert und organisiert hatte.
Eigentlich sollten Social-Media-Plattformen dem neuen Kommunikationsplattformengesetz nach schon lange Zustellbevollmächtigte benannt haben – damit Behörden und Opfer rechtlich gegen Hassbotschaften vorgehen können.

Die meisten Plattformen (etwa Facebook, Youtube oder Pinterest) haben das getan – Telegram aber nicht. Das Netzwerk, auf dem sich immer wieder Extremisten und Hasskampagnen aller Art organisieren, ist weiterhin nicht greifbar.

An sich steht auf dieses Versäumnis, Bevollmächtigte zu nennen, eine Strafe von bis zu zehn Millionen Euro – die die Republik bei Nichterreichbarkeit auch bei Werbekunden von Telegram in Österreich einkassieren könnte.

Republik bereitet Verfahren gegen Telegram vor

Nur geht das nicht von heute auf morgen. Die zuständige Aufsichtsbehörde KommAustria hat im Mai eine öffentliche Aufforderung an Telegram online gestellt, bei ihr vorstellig zu werden. Nachdem das wie erwartet unterblieben ist, bereitet die KommAustria nun ein Strafverfahren gegen Telegram vor, das auch in Abwesenheit geführt werden kann, so ein Sprecher zur Kleinen Zeitung.

Auf politischer Ebene verweist man primär auf die europäische Ebene: Im Kanzleramt hofft man auf ein EU-weites Vorgehen nach dem "Digital Services Act", der im Herbst in Kraft tritt, im Justizministerium auf die "E-Evidence-Verordnung", die die Ausforschung von Tätern vereinfachen soll.