Wenige Tage vor dem ÖVP-Parteitag musste die Volkspartei einen neuen Landwirtschaftsminister und Ersatz für die Wirtschaftsagenden suchen. Elisabeth Köstinger (ÖVP) hat am Montag in einer persönlichen Erklärung ihren Rücktritt erklärt. Sie dürfte in die Privatwirtschaft wechseln. Und auch Margarete Schramböck zog sich als Ministerin zurück.

Einen Tag später meldete sich Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) mit seinen Plänen für die freigewordenen Ministerien zu Wort. Er bedankte sich zuerst bei scheidenden Ministerinnen, es sei an ihren Statements sichtbar gewesen, "wie heftig und auch untergriffig der Job als Ministerin" sein könne. Er werde diesen Umstand dafür nutzen,"gleich einen größeren Umbau anzugehen", um "größtmögliche Effizienz zu sichern". Das Arbeits- und Wirtschaftsministerium werde mit Martin Kocher als Chef zusammengeführt, ihm zur Seite werde Susanne Kraus-Winkler als Tourismus-Staatssekretärin gestellt - sie ist aktuell Obfrau des Fachverbands Hotellerie. Sie wuchs als Tochter einer Familie auf, die seit mehreren Generationen im Marchfeld (NÖ) Gastronomie, Landwirtschaft und später auch Hotellerie betrieben hat. Auch sie selbst schlug diesen Berufsweg ein. "Gerade diese Branche braucht jemanden, der ihre Ängste und Zukunftshoffnungen aufnimmt", erklärte Nehammer.

Nehammer über Osttiroler Totschnig: "Ein Freund"

Der Osttiroler Norbert Totschnig wird, wie schon berichtet, Landwirtschaftsminister. Von ihm sprach Nehammer als "Freund", den er "seit vielen Jahren" kenne. Er werde sich den großen Fragen wie Lebensmittelversorgungssicherheit und Umweltschutz in der Landwirtschaft stellen. Zudem verkündete er, die Zivildienst-Agenden an Staatssekretärin Claudia Plakolm zu übergeben. Ebenfalls Staatssekretär wird der laut Nehammer "mir ebenfalls gut vertraute" Tiroler Florian Tursky, der frühere Pressesprecher und heutige Büroleiter von Landeshauptmann Günther Platter. Er soll für die Digitalisierungsagenden zuständig und im Finanzministerium angesiedelt sein.

Norbert Totschnig
Norbert Totschnig © KLZ/Kasupovic

Zu Ex-Ministerinnen: "Haben Zeitpunkt für Rücktritt selbst gewählt"

Bundespräsident Alexander Van der Bellen sei aktuell in Gesprächen mit den neuen Mitgliedern der Regierung und werde diese "zeitnah" angeloben. Auch dem Koalitionspartner, den Grünen, dankte Nehammer. Auf Nachfrage, ob der Kanzler von den beiden Rücktritten überrascht wurde, erklärte dieser, dass beide Ministerinnen "immer offen kommuniziert haben". Man habe vereinbart, dass sie "den Zeitpunkt dafür für sich selbst wählen", man habe ihn informiert. Dass Schramböck nicht ganz freiwillig ging, wies Nehammer zurück. Sie hätte weiterhin sein Vertrauen gehabt, sie habe das selbst entschieden.

Dazu, dass nun zwei Frauen weniger in der Regierung sitzen, erklärte der Kanzler, dass es immer Ziel sein müsse, "gleich viel Frauen wie Männer" in der Regierung zu haben. Es könne aber sein, "dass das nicht immer gelingt", vor allem wenn es schnell gehen müsse. "Beleidigungen und Heruntermachen" müsse man aber thematisieren, damit sich "noch viel mehr Frauen für eine Karriere in der Spitzenpolitik entscheiden". Bünde und Länder habe er in seine Entscheidung eingebunden, das Schlusswort liege aber bei Kanzler und Parteichef. Von Zurufen aus den Bundesländern wollte Nehammer nichts wissen.

Osttiroler Totschnig wird Minister

Schon am Dienstag in der Früh wurde bekannt, dass der aus Lienz stammende 47-jährige Direktor des österreichischen Bauernbundes Norbert Totschnig ihr nachfolgen wird. Das wurde in der Nacht zwischen Bundeskanzler Nehammer, Tirols Landeshauptmann Günther Platter und dem Bauernbund vereinbart, schreibt die Tiroler Tageszeitung.

Unter Spindelegger und Mitterlehner tätig

Totschnig wurde 6. Juni 1974 in Lienz geboren, er ist verheiratet und wurde im Juni 2019 erstmals Vater eines Sohnes. Nach dem Besuch der HTL in Lienz absolvierte er den Aufbaulehrgang in Bregenz, 2001 schloss er das Studium der Internationalen Wirtschaftswissenschaften in Innsbruck ab. Als Generalsekretär der Bauernbund-Jugend war er von 2002 bis 2007 für die Produktion des beliebten Jungbauernkalenders verantwortlich.

Seiner Partei attestierte Totschnig schon in der Schüssel-Ära Sex-Appeal. "Sie ist mindestens so sexy, wie die Jungbauernschaft. Wie sexy die sein kann, hat sie mit dem Jungbauernkalender bewiesen", sagte er bei der Wahlparty nach der Nationalratswahl 2002. Für ihn stand die ÖVP damals für Jugend, Fortschritt und die Zukunft.

Seine ersten politischen Schritte machte er als parlamentarischer Mitarbeiter im Nationalrat sowie im Bauernbund. Ab Dezember 2013 war er unter Michael Spindelegger im Finanzministerium tätig, ehe er als Referent im Kabinett von Vizekanzler Reinhold Mitterlehner arbeitete. 2016 wechselte er in den ÖVP-Parlamentsklub und war Referent unter anderem für Umwelt sowie Land- und Forstwirtschaft. Seit 2017 ist er Direktor des Bauernbunds.

Platters Büroleiter soll Staatssekretär werden

Die ÖVP Tirol konnte neben Totschnig einen zweiten Landsmann in die Regierung bringen. Florian Tursky, früher Pressesprecher und heutiger Büroleiter von Landeshauptmann Günther Platter, wird. Der 33-jährige Innsbrucker gilt als extrem sportlich und ehrgeizig.

Seinen ersten Schritte in der Politik tat er als Landesgeschäftsführer der JVP Tirol. Ein universell einsetzbarer und absolut loyaler Stratege mit einem breiten Netzwerk, an dem der studierte Kommunikationswissenschaftler ein junges Leben lang geknüpft hat. Rund um die Uhr für Platter im Einsatz, ständig erreichbar, mögliche Gefahrenquellen aufspürend, damit der Politfuchs Platter möglichst unfallfrei durch die politische Landschaft navigieren kann.

Florian Tursky
Florian Tursky © APA/PRIVAT

Opposition erbost über Personalrochaden

Die neuen Gesichter stoßen bei den Oppositionsparteien gar nicht auf Begeisterung. "Nach diesen beiden Rücktritten ist endgültig Game-Over. Die Regierung Nehammer ist gescheitert", sagte der stellvertretende SPÖ-Klubobmann Jörg Leichtfried bei einer Pressekonferenz. Die SPÖ werde deshalb in der nächsten Nationalratssitzung einen Neuwahlantrag einbringen.

FPÖ-Obmann Herbert Kickl ortete in einer Aussendung einen "ÖVP-Regierungsbasar", notwendig sei "ein Aufwachen des Bundespräsidenten", findet der FPÖ-Chef. Alexander Van der Bellen müsse "jetzt endlich seine staatspolitische Verantwortung leben und den Weg für Neuwahlen freigeben.

Kritik an Nehammers Postenbesetzungen übten auch die Neos: Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) habe nichts weitergebracht, vom Bildungsminister bleibe nichts in Erinnerung und in Sachen Energie habe es keine Weiterentwicklung gegeben, sagte Hoyos bei einer Pressekonferenz. Ministerposten würden lediglich aufgrund der Herkunftsbundesländer der Anwärter vergeben, kritisierte er. "Es kann doch nicht sein, dass ich Minister werde, nur weil ich Tiroler bin."