Seit Sie vor zehn Tagen als Minister angelobt wurden, haben sich 450.000 Menschen mit Corona infiziert. Hat die Regierung vor dem Virus kapituliert?
JOHANNES RAUCH: Natürlich nicht. Die Höhe der Zahlen macht mir Sorge und ist auch auf die Öffnungsschritte zurückzuführen. Ja, die Öffnung in der Deutlichkeit ist zu früh gekommen. Aber dieses Virus und die Pandemielage entwickeln sich dermaßen dynamisch, dass auch die Erkenntnisse, die wir gewinnen, immer hinterherhinken. Je höher die Ansteckungszahlen sind, desto wichtiger ist, dass jeder und jede einzelne sich fragt: Was kann ich für einen Beitrag leisten? Mein Appell: Bitte tragen Sie eine Maske, auch wenn Sie nicht verordnet ist! Bitte halten Sie Abstand und waschen Sie Ihre Hände, auch, wenn Sie es nicht mehr hören können!

Welche Erfahrung der letzten zwei Jahre lässt den Schluss zu, dass Eigenverantwortung der richtige Weg ist?
Zu Beginn der Pandemie war die Angst, schwer zu erkranken oder zu sterben größer als der Wunsch, sich nicht einschränken zu lassen. Das hat sich umgedreht. Und das ist problematisch, weil es Menschen gibt, die trotz allem ein großes Risiko haben. Ich war selbst einmal Krebspatient, ich weiß, was das heißt. Wir brauchen ein Mindestmaß an Solidarität mit dieser Gruppe. Das kann man schon verordnen, aber am Ende des Tages wird es darauf ankommen, dass die Menschen bereitwillig mitmachen, weil sie erkennen: Es hilft nichts, da müssen wir durch.