Jede fünfte Frau ist in Österreich von Gewalt betroffen. An dieser Statistik hat sich auch in diesem Jahr – am heutigen Internationalen Tag gegen Gewalt an Frauen und Mädchen – nichts geändert. Besonders in Lockdown-Zeiten hat sich die Lage für Frauen, die zu Hause von Gewalt bedroht sind, zusätzlich verschärft.

Frauenhotlines verzeichnen einen Anstieg bei den Anrufen um bis zu 40 Prozent, die Zahl der Wegweisungen durch die Polizei ist um 20 Prozent gestiegen. Die Regierung gelobt nun „null Toleranz“ gegenüber Gewalt und präsentierte nach einem zweitägigen Gewaltschutzgipfel fünf Maßnahmen zur Eindämmung.

Verpflichtende Täterarbeit

Die zentralste Maßnahme fokussiert jedoch nicht auf die Opfer von Gewalt, sondern auf ihre Verursacher – die Täter. Mit erstem Juli 2021 sollen Personen, gegen die ein Betretungsverbot ausgesprochen wird, gesetzlich dazu verpflichtet werden, an einer Beratung für Gewaltprävention teilzunehmen. Weigern sich die Betroffenen, sollen Strafen drohen. Damit sollen Wiederholungstaten verhindert werden, erklärte Innenminister Karl Nehammer (ÖVP). Sechs Stunden soll die Beratung umfassen, die Kosten dafür werden vom Bund übernommen. 10,6 Millionen Euro sind für diese Zwecke für die nächsten vier Jahre vorgesehen.

Beratung für Gewalttäter gibt es schon jetzt in fast jedem Bundesland, erklärt Romeo Bissuti, klinischer Psychologe und Leiter des Gesundheitszentrums „Men“ in Wien. „Wer aktuell nach einem Übergriff weggewiesen wird, bekommt lediglich eine Broschüre mit Informationen zu Beratungsangeboten“, erklärt er. In machen Bundesländern werden Täter auch direkt von Einrichtungen angesprochen. Verpflichtend ist die Beratung jedoch nicht. „Dabei ist die Zeit nach einer Wegweisung am besten dafür geeignet, dem Täter zu zeigen, dass sein Verhalten keine Privatsache ist“, sagt Bissuti.

Psychologe Romeo Bissuti
Psychologe Romeo Bissuti © (c) KRISTIAN BISSUTI (KRISTIAN BISSUTI)

Toxisches Männerbild

Die Männer, die beraten werden, kommen aus allen Schichten und Altersklassen, erzählt der Experte. „Was sie eint, ist ein toxisches Männerbild, das sie verinnerlicht haben. Den Glauben, dass man mit Gewaltbereitschaft signalisieren muss, dass man ein Mann ist. Und dass sie ein verzerrtes Bild von Gleichberechtigung haben.“ Die Männer gehen davon aus, dass ihnen Macht zusteht. „Wenn die Partnerin dann aber arbeiten gehen oder sich trennen will, wird diese Macht infrage gestellt – und dann kann es gefährlich werden“, erklärt Bissuti.

Im Augenblick werden verurteilte Straftäter und vom Jugendamt übermittelte gewalttätige Männer betreut, aber auch Freiwillige. „In sechs bis acht Monaten fokussieren wir auf ihr Verhalten und geben ihnen konkrete psychische Werkzeuge in die Hand, damit sie nicht mehr die Kontrolle verlieren“, sagt Bissuti. „Geheilte“ Männer nach nur sechs Stunden Arbeit seien aber illusorisch.

"Schritt in die richtige Richtung"

Der Experte begrüßt die türkis-grünen Pläne dennoch. „In diesen Stunden kann ich mir die Lage ansehen, ich kann evaluieren, ob der Mann eine akute Gefahr darstellt, und kann über weitere Beratungen und Hilfsangebote informieren.“ Damit könne man schon einiges abfangen. Mit seinen Erwartungen an die geplanten Maßnahmen hält sich Bissuti jedoch zurück. „Männerberatung gibt es seit mehr als dreißig Jahren, in unzähligen Gesprächen mit Politikern haben wir die Wichtigkeit dieser Arbeit betont.“

Nun müsse man sich ansehen, was vom Vorhaben wirklich umgesetzt werde. „Aber es ist sicher ein Schritt in die richtige Richtung“, betont er.