Man darf sich gar nicht ausmalen, was passiert wäre, hätte das bekannte jüdische Lokal Alef-Alef, in dem oft in großer Gesellschaft Bar Mitzwa gefeiert wird, nicht schon einen Tag vor dem Lockdown seine Pforten geschlossen. Unzählige gelbe Kreise am Kopfsteinpflaster vor dem Eingang erinnern an die traumatische Terrornacht. Um die Ecke weitere gelbe Kreise, die die Stellen markieren, wo Patronenhülsen aufgefunden wurden - in dem Fall vor dem jüdischen Stadttempel in der Seitenstettengasse. Eine gespenstische Stille prägt den Ort, schwerbewaffnete Polizisten riegeln den Tatort großräumig ab. Vereinzelt blicken Bewohner durch die Vorhänge auf den Platz herunter.

Synagoge und jüdisches Lokal war zu

„Glücklicherweise war das Abendgebet um 20 Uhr vorbei“, berichtet der Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde Oskar Deutsch. Auch die Büros der Kultusgemeinde waren bereits verwaist. Videos der Überwachungskamera zeigen, wie der Attentäter vor der Synagoge einen jungen Mann niederschießt und dann die Gasse zum jüdischen Lokal zurückkehrt. In der Kultusgemeinde gibt man sich keinen Illusionen hin: Der Anschlag galt der jüdischen Gemeinde.

Dass der Attentäter ausgerechnet in der Juden- und Seitenstättengasse zugeschlagen hat, ist wohl kein Zufall. „Ein antisemitisches Motiv ist naheliegend“, erklärt Deutsch. „Der Antisemitismus, der dem Islamismus innewohnt, ist nicht nur eine Bedrohung für Juden, sondern für alle, denen es um Freiheit, Demokratie und Humanismus geht.“ Von sechs über die halbe City verstreute Tatorte, wie am Vorabend behauptet, kann keine Rede sein: Die Schüssel fielen im Herzen des alten jüdischen Viertels.

Militärpolizei übernimmt Bewachung jüdischer Einrichtungen

Von der Terrornacht blieb die alte Leopoldstadt jenseits des Donaukanals verschont. Von außen sind die Gebetshäuser, Versammlungsstätten, Schulen, Geschäfte nicht zu erkennen, aus Sicherheitsgründen sind vor Jahrzehnten die meisten Schilder entfernt worden. Viel der jüdischen Mitbürger halten sich nicht an die Aufforderung der Kultusgemeinde, den öffentlichen Raum zu meiden. Sie eilen durch die Straßen und verschwinden in Gebäuden, vor denen schwer bewaffnete Militärpolizisten Position bezogen haben. Das Militär hat die Bewachung der jüdischen Einrichtungen in Wien übernommen.