"Im Hinblick auf die derzeitige Situation aufgrund des Coronavirus wird ersucht, einen Verzicht auf die Haftverhandlung gemäß § 175 Abs 4 StPO zu prüfen". Das schreibt das Wiener Landesgericht für Strafsachen derzeit in alle Ladungen von Untersuchungshäftlingen, deren Haft demnächst zur Überprüfung in einer Haftverhandlung ansteht. Eine solche Ladung liegt der Kleinen Zeitung vor.

An sich muss nach bestimmten Fristen - zunächst zwei Wochen, später ein oder zwei Monate - in Untersuchungshaft eine mündliche Haftverhandlung stattfinden, in der ein Richter darüber entscheidet, ob die Gründe für die Untersuchungshaft noch vorliegen. Aber die Strafprozessordnung bietet den Häftlingen auch die Möglichkeit, auf diese Verhandlung zu verzichten. Und genau das legt das Gericht ihnen derzeit nahe.

Wie eine Sprecherin des Landesgerichts der Kleinen Zeitung bestätigt, wurde ein entsprechender Covid-Textbaustein in die Ladungen zu solchen Verhandlungen - sie ergehen auch an den Anwalt der Häftlinge - aufgenommen. U-Häftlinge hätten ohnehin immer die Gelegenheit, ihre Enthaftung zu beantragen.

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Derzeit werden Untersuchungshäftlinge nach den Covid-Gesetzen ohnehin nur aus der Haftanstalt per Videokonferenz zu den Haftprüfungen zugeschaltet.

Eine Statistik darüber, wie viele U-Häftlinge seit Beginn der Corona-Krise auf ihre Haftprüfung verzichtet haben, führt das Gericht nicht. Allerdings würden Strafverteidiger immer wieder auf Haftverhandlungen verzichten - die Entscheidung kann dann beim Oberlandesgericht Wien noch einmal angefochten werden.