Gegen den Zugang zu staatlichen Informationen hat bereits Metternich angekämpft. Der ehemalige Außenminister Österreich-Ungarns verhandelte 1819 federführend und unter äußerster Geheimhaltung die Karlsbader Beschlüsse, die der Bekämpfung liberaler Strömungen dienten. So gibt es, was Intransparenz und Geheimniskrämerei betrifft, gerade in Österreich eine lange Tradition.

Dieses Erbe wirkt heute noch nach: Österreich ist die einzige europäische Demokratie, in der das Amtsgeheimnis in der Verfassung steht. Im vorigen Jahr belegte die Alpenrepublik in einer internationalen Studie des „Centre for Law and Democracy“ zur Transparenz der Verwaltung ex aequo mit dem Pazifikstaat Palau unter 128 Ländern den letzten Platz.
Höchste Zeit also für einen Kulturwandel, das hat auch die Bundesregierung erkannt. Die Einführung eines Informationsfreiheitsgesetzes ist eines der „Leuchtturmprojekte“ der Grünen. Dem Regierungsprogramm zufolge soll das Amtsgeheimnis aus der Verfassung gestrichen und jedem Bürger ein einklagbares Recht auf Information eingeräumt werden.

Das heißt: Der Einzelne erhält umfassenden Zugang zu amtlichen Dokumenten, ob nun digital oder in Papierform. Bislang gibt es nur einen allgemeinen Anspruch auf Auskunft gegenüber den Behörden, konkrete Schriftstücke bekommt man jedoch nicht. In Zukunft kann jeder – so wie das in Deutschland bereits jetzt möglich ist – etwa die Akten und Pläne für einen Zweckbau, die Begründung einer Gemeinde für die Umwidmung von Ackerland zu Bauland für die Errichtung eines Gesundheitszentrums oder die Namen der Firmen, die den Ankauf einer Amtskette für den Bürgermeister sponsern, von den Behörden herausverlangen.

Zunächst ist es erfreulich, dass im Regierungsprogramm keine Gebühren für die Übermittlung der Informationen vorgesehen sind. Weniger ambitioniert waren die türkis-grünen Verhandler bei den Fristen: Dokumente und Informationen sollen unverzüglich, jedenfalls binnen vier Wochen übermittelt werden; in begründeten Fällen kann die Behörde die Frist auf acht Wochen verlängern. Auch wenn sich die Verwaltung künftig an der vierwöchigen Frist orientieren sollte, ist das deutlich länger als die 15 Tage, innerhalb derer EU-Institutionen Anfragen beantworten müssen. Bedeutsam ist eine möglichst rasche Beantwortung insbesondere für Journalisten, da sie die Informationen für die laufende Berichterstattung benötigen.

Ein Wermutstropfen ist es auch, dass das Regierungsprogramm keine unabhängige Ombudsperson vorsieht, die bei Konflikten zwischen den Bürgern und den staatlichen Stellen eine erste Entscheidung über die Geheimhaltung treffen könnte. Die Abschaffung des Amtsgeheimnisses heißt schließlich nicht, dass der Bürger das Recht auf Information in jedem Fall durchsetzen kann. Für die Geheimhaltung können etwa die Vertraulichkeit personenbezogener Daten, außenpolitische Gründe oder nationale Sicherheitsinteressen sprechen (so muss der Staat beispielsweise Informationen eines ausländischen Geheimdiensts über einen potenziellen islamistischen Gefährder selbstverständlich nicht weitergeben).

Verwehren die Behörden einem Bürger die Information, hat er die Möglichkeit, das Verwaltungsgericht anzurufen. Die Gerichtsentscheidung soll dann innerhalb von zwei Monaten erfolgen. Die Praxis in Ländern wie Deutschland, Großbritannien und Slowenien zeigt jedoch, dass sich – vor dem Gang zu den Gerichten – unabhängige Ombudseinrichtungen bewährt haben, die die Bürger beraten, versuchen zu vermitteln und die Angelegenheit gegebenenfalls zügig entscheiden. Eine Ombudsperson könnte einen wesentlichen Beitrag zum erwünschten Kulturwandel der österreichischen Behörden leisten.

Darüber hinaus ist es zu begrüßen, dass die Regierung die Behörden dazu verpflichten will, Informationen von allgemeinem Interesse aktiv – also unabhängig von einer Anfrage – zu veröffentlichen. Zu derartigen Informationen zählen etwa Studien, Gutachten und Verträge ab einem gewissen Auftragswert. Sie sollen in ein zentrales Transparenzregister aufgenommen werden. Diese Maßnahme würde zu einer klaren Wende in der Verwaltungspraxis führen. Im vorigen Jahr haben parlamentarische Anfragen der Neos ergeben, dass die Ministerien von Juni 2018 bis Sommer 2019 für insgesamt fast zehn Millionen Euro 218 Studien beauftragt haben. Bei 80 dieser Studien haben die Ministerien angegeben, diese entweder unter Verschluss halten zu wollen oder über die Veröffentlichung noch nicht entschieden zu haben.

Besonders zurückhaltend sind die öffentlichen Stellen übrigens bislang bei Evaluierungen. So wurde weder die Studie zur Effektivität der „Aktion 20.000 für Langzeitarbeitslose“ noch die Untersuchung der Verkehrssicherheitsinitiative „Keine Drogen am Steuer“ publik gemacht.
Sinnvoll wäre es zudem, im Gesetz klarzustellen, dass die Bürger die Informationen des Registers zu beliebigen Zwecken weiterverwenden dürfen. Immerhin wurden die Studien und Gutachten ja auch mit dem Geld der Bürger finanziert. Der in letzter Zeit oft gebrauchte Begriff vom „gläsernen Staat“ ist nicht bloß ein Schlagwort. Mehr Transparenz führt zu einem achtsameren Umgang mit Steuergeld und hilft auch bei der Prävention und Bekämpfung von Korruption. Außerdem steigt das Vertrauen der Bevölkerung in die Verwaltung. Auch die Coronakrise hat gezeigt, dass transparente Informationen enorm wichtig sind.

Bestrebungen für ein Informationsfreiheitsgesetz gibt es in Österreich schon seit vielen Jahren. Sie sind alle im Sand verlaufen. Hoffentlich setzt die Regierung ihre Transparenzinitiative rasch um und beseitigt den Nachhall des strengen Geheimhaltungsregimes aus der Zeit der k. u. k. Monarchie ein für alle Mal. Verfassungsministerin Karoline Edtstadler hat nun angekündigt, einen Gesetzesentwurf bis zum Sommer vorzulegen.