Frau Hofinger, wie groß schätzen Sie das Gefährdungspotenzial durch IS-Sympathisanten ein, die in Österreich in Haft sitzen?

Es sind sehr unterschiedliche Personen wegen Beteiligung an der terroristischen Organisation IS in Haft. Der Paragraph ist sehr weit gefasst, auch in seinem Strafrahmen. Das Spektrum reicht von Jugendlichen, die problematische Postings im Internet abgesetzt haben bis hin zu Hardcore-Ideologen.

Wie kann man diese Personen beschreiben, bzw. haben sie irgendwas gemeinsam, z.B. Ähnlichkeiten in ihrer Biografie?

In unseren Studien waren viele von denen, die mit dem IS sympathisiert haben, aus sehr schwierigen Verhältnissen, vor allem bei den Jugendlichen. Einige hatten eine traumatische Kindheit - etwa während des Krieges in Tschetschenien - und Fluchterfahrung. Ihre Familien sind nie in Österreich angekommen. Sie fühlten sich nicht zugehörig.

Manche hatten auch schon vorher Probleme mit der Polizei. Weder in unserer noch in der internationalen Forschung hat sich aber der eine, alles erklärende Faktor feststellen lassen, der bei allen zu finden wäre. 

Was macht die Faszination IS aus für diese Menschen?

Die Ideologie gibt einfache, klare Antworten und sie hat nach innen etwas sehr Verbindendes. Man kämpft gemeinsam für eine vermeintlich gute, gottgewollte Sache. Das göttliche Recht wird über das der Gesellschaft gestellt, in der man sich nicht zurechtfindet.

Es hat auch viel mit der Propaganda des IS zu tun, dass ein guter Muslim sich dem IS anschließen muss, um für die Geschwister in Syrien zu kämpfen. Manche fasziniert wohl auch die Möglichkeit, durch die Ideologie legitimierte Gewalt auszuleben. 

Wie kann De-Radikalisierung gelingen? Kann sie das überhaupt?

De-Radikalisierung ist jedenfalls nichts, das immer gelingt. Es gibt aber durchaus Fälle, wo durch die Zusammenarbeit unterschiedlicher Akteure - die Betreuung in Haft durch die Fachdienste, die Bewährungshilfe, den Verein DERAD - Leute dazu gebracht werden konnten, sich zumindest auf der Verhaltensebene zu verändern. Man spricht da von Disengagement, nicht von Deradikalisierung. Dass diese Leute also z.B. nicht mehr nach Syrien gehen wollten oder Anschlagspläne hegten. 

Es gibt aber auch andere Fälle?

Es gibt Personen, die schwer zu erreichen sind und die an ihrer Ideologie weiter festhalten. Der Insasse, der die Anschläge vom Gefängnis aus geplant haben soll, wollte ja nach seiner ersten Haft nochmals nach Syrien und sich dem IS anschließen und wurde dafür ein zweites Mal verurteilt. Bei ihm hat es offenbar nicht funktioniert. 

Wie sieht gute De-Radikalisierungsarbeit aus?

Es müssen auf jeden Fall verschiedene Institutionen zusammenarbeiten. Es braucht die Arbeit an der Ideologie, aber auch an der sozialen Integration. Das Gefängnis ist einerseits ein denkbar schlechter Ort, um zu de-radikalisieren, weil eine Haft eigentlich die ultimative Exklusionserfahrung ist und in der Regel eine Krise auslöst - man also für radikale Ideen erst recht offen ist. Viele fühlen sich bestätigt: Man verfolgt uns als Muslime. Aber anderseits besteht in Haft auch eine Chance. Man kann dort sicher auch Leute erreichen, zu denen man sonst keinen Zugang hätte.

Bei der Präsentation Ihrer Studie im Jänner 2017 haben Sie auch über die Gruppe der Tschetschenen gesprochen. Worin besteht hier die Herausforderung? Handelt es sich hier um eine besonders gefährliche Gruppe?

Nein, es gibt auch unter den tschetschenischen IS-Sympathisanten ganz unterschiedliche Personen. Manche haben sich inzwischen auch von der Ideologie abgewandt. Eine Besonderheit in Österreich ist, dass unter den Syrien-Ausreisenden besonders viele Tschetschenen waren.

Das liegt daran, dass die Community in Österreich relativ groß ist. Und das liegt an der oben erwähnten biographischen Geschichte. All diese Leute sind durch den Tschetschenenkrieg geprägt. In Syrien bestand nun die Möglichkeit, für die muslimische Gemeinschaft und  vor allem auch gegen Russland zu kämpfen. 

Was würden Sie sich vom Gesetzgeber wünschen, wie soll man den Sympathisanten begegnen?

Im konkreten Anlassfall war die Gesetzeslage durchaus ausreichend. Die Zusammenarbeit zwischen Justiz und Verfassungsschutz hat funktioniert. Ich denke, dass dieser Fall keinen Anlass bietet, weitere gesetzliche Maßnahmen zur Terrorbekämpfung zu beschließen.