Die Reform der Sozialversicherung hat im wesentlichen vor dem Verfassungsgerichtshof gehalten. Sowohl die Strukturreform mit einer starken Reduktion der Träger als auch die paritätische Besetzung der Gremien zwischen Dienstgebern und Dienstnehmern wurden vom VfGH in einer am Freitag verkündeten Entscheidung für verfassungskonform befunden.

Verfassungswidrig ist hingegen die geplant gewesene Übertragung der Sozialversicherungsprüfung von den Kassen an die Finanz. Auch die Bestimmungen über den neuen Eignungstest für die Kassenfunktionäre wurden aufgehoben.

Beschwerden

Die Beschwerden von Kassen, Arbeiterkammern und SPÖ-Bundesräten richteten sich nicht nur gegen die Fusion zu einer "Österreichischen Gesundheitskasse" (ÖGK) an sich, sondern auch gegen die Entmachtung der Arbeitnehmervertreter in den Kassengremien. Die Beschwerdeführer sahen darin, aber auch in vielen anderen Punkten einen Verstoß gegen die verfassungsrechtlichen Grundsätze der Selbstverwaltung.

Die Bekanntgabe der Entscheidung erfolgte wie schon am Mittwoch, als "Bundestrojaner" und Autofahrer-Überwachung gekippt wurden, öffentlich. Am Mittwoch hatten die Höchstrichter weite Teile des türkis-blauen "Sicherheitspakets" aufgehoben.

Reaktionen

Erwartungsgemäß sehr unterschiedlich sind die Reaktionen auf das VfGH-Erkenntnis zur Kassenreform ausgefallen. Während die Arbeitnehmer-Vertreter die Bestätigung der paritätischen Besetzung der Gremien zwischen Dienstgebern und Dienstnehmern durch den Verfassungsgerichtshof scharf kritisierten, zeigte sich die Wirtschaft zufrieden.

Arbeitnehmer-Vertreter unzufrieden

ÖGB-Präsident Wolfgang Katzian bezeichnete die Entscheidung in diesem Punkt als "nicht verständlich und herben Rückschlag für 7,2 Millionen Versicherte". Zukünftig entscheiden Arbeitgeber zu 50 Prozent über die Leistungen der Versicherten, die ausschließlich Arbeitnehmer sind und das führe zu einer problematischen Situation. "Es liegt in der Natur der Sache, dass Arbeitgeber und die ÖGK-Versicherten unterschiedliche Interessen verfolgen. Während die eine Seite auf gute Geschäfte mit der Sozialversicherung hofft, geht es den Betroffenen vor allem um beste medizinische Versorgung", argumentiert Katzian den drohenden Konflikt durch die geänderten Mehrheitsverhältnisse.

Das gelte es nun auf politischer Ebene abzufangen, appelliert der ÖGB-Präsident an die Parlamentsklubs und an die Bundesregierung, rasch eine neue Grundlage zu schaffen. Die vor wenigen Tagen bekannt gewordenen Pläne zur Überprüfung der Krankenstände durch den Arbeitgeber unterstreichen diese Befürchtungen einmal mehr. Der ÖGB befürchtet darüber hinaus längere Wartezeiten, die Einführung von Selbstbehalten und die zunehmende Privatisierung des Gesundheitssystems, so Katzian.

"Wir bleiben dabei: Die neue Parität in der Sozialversicherung ist ungerecht", sagte auch AK Präsidentin Renate Anderl und verwies ebenfalls auf den Wunsch der Wirtschaft nach schärferen Kontrollen von Krankenständen. Anderl appellierte ebenfalls an die neue Regierung, "den Dialog mit uns zu suchen und die Gelegenheit zu nutzen, den 7,2 Millionen Versicherten die Verantwortung für ihre Versicherung wieder zurückzugeben."

Wirtschaft erfreut

Erfreut zeigten sich dagegen die Wirtschaftskammer und der ÖVP-Wirtschaftsbund. Die paritätische Besetzung der Leitungsgremien stelle "Fairness für die Arbeitgeber sicher, die in etwa die Hälfte der Beiträge zu Kranken-, Pensions- und Unfallversicherung leisten", meinten WKÖ-Generalsekretär Karlheinz Kopf und WB-Generalsekretär Kurt Egger.

Auch Matthias Krenn (FPÖ), Chef des Überleitungsausschusses und künftig ÖGK-Obmann, begrüßte das VfGH-Erkenntnis. "Die neue Struktur schafft Potenziale für verbesserte und neue Leistungen. Die Sozialversicherung bleibt ein Abbild gelebter sozialpartnerschaftlicher Zusammenarbeit."

Der Generaldirektor der Gesundheitskasse, Bernhard Wurzer, begrüßte "die Tatsache, dass nun Klarheit herrscht". Er kündigte bezüglich der vom VfGH aufgehobenen Übertragung der Sozialversicherungsprüfung von den Kassen an die Finanz an, dass man sich in den kommenden Wochen darauf fokussieren werde, die Rückabwicklung für alle Beitragsprüfer möglichst schonend und im Einklang mit dem Finanzministerium durchzuführen.