Herr Präsident Sobotka, Sie sind diesmal mit 88 statt wie zuletzt 61,2 Prozent gewählt worden – eine Genugtuung?

WOLFGANG SOBOTKA: Ergebnisse sind einmal besser und einmal weniger und man muss das immer zur Kenntnis nehmen. Klar freut man sich, wenn der Zuspruch ein großer ist.

Die Stimmen für Karlheinz Kopf haben Sie irritiert?
Nein.

Haben Sie es erwartet?
Nein, aber wir kennen das Parlament. 182 Abgeordnete, und eine deomkratische Wahl – das sind unterschiedliche Zugänge vorprogrammiert. Wie wir auch an den Stimmen für Max Lercher und Pamela Rendi-Wagner sehen.

Doris Bures hat einmal gesagt, sie war überrascht, wie sehr das Präsidentenamt sie verändert hat. Hat es Sie verändert?
Mich hat das Amt nicht verändert. Ich bin ein Mensch, der eine politische Aufgabe dann übernimmt, wenn er glaubt, er kann sie erfüllen. Ich sehe mir vorher sehr klar an, was die Aufgaben sind. Dann muss man als Politiker den Schalter blitzschnell umlegen und sagen: so, das ist jetzt die Aufgabe, und da habe ich auch zu funktionieren.

Die Kandidatur der Grünen Eva Blimlinger wurde ebenso als Verstoß gegen die Usancen gewertet wie die Kandidatur eines Parteichefs – Norbert Hofer.
Ich glaube, dass das keinen Bruch der Usancen darstellt. Die Grünen haben immer wieder Kandidaten aufgestellt. Und das Wesentliche bei der Wahl des Präsidenten ist einfach, ob man das Vertrauen in sie hat, dass sie die Sitzungen leiten können und für das Haus einstehen.

Eine sehr parteiliche Aufgabe.
Wir haben alle Funktionen in unseren Parteien. Ich kann Ihnen versichern, dass das Parlament genau hinschauen wird, ob Norbert Hofer diese Objektivität auch beibehalten kann. Er wird hierbei sicher unter genauer Beobachtung der Parlamentarier stehen.

Was haben Sie in der nächsten Legislaturperiode vor?
Ich werde alle auffordern, ihre Gedanken einzubringen. Gemeinsam werden wir dann ein rundes Programm zusammenstellen. Natürlich werden wir uns mit den Jahrestagen auseinandersetzen – 25 Jahre EU-Beitritt, 75 Jahre Zweite Republik und 100 Jahre Bundesverfassung. Und mit dem wachsenden Antisemitismus.

Was wollen Sie dagegen tun?
Monika Schwarz-Friesel schreibt in ihrem Buch über Judenhass im Internet, der Antisemitismus ist kein Randphänomen, sondern in der Mitte der Gesellschaft angekommen. Wir müssen daher nicht nur Befragungen durchführen, sondern in der Antisemitismus-Forschung einen neuen Weg einschlagen. Das wird ebenso eine Aufgabe des neuen Parlaments sein wie der Kampf gegen den politischen Islamismus. Parallelgesellschaften, die unsere Werthaltungen nicht akzeptieren, dürfen wir nicht tolerieren.

Was sagen Sie zu den Vorgängen im britischen Parlament?
Auf der einen Seite empfinde ich Hochachtung, wie man im Mutterland der Demokratie mit freier Rede umgeht, andererseits aber auch große Sorge, dass man auch dort dem Populismus einen Raum gegeben hat, den er nicht verdient. Aber eine starke Demokratie hält natürlich auch so etwas aus. Wie der deutsche Alt-Bundespräsident Joachim Gauck gesagt hat: auch den politischen Irrtum muss man in der Toleranz aushalten können.