Wer am Mittwochabend gegen Schluss des letzten Durchgangs der ORF-Zweierduelle zur Nationalratswahl gedacht hatte, die Spitzenkandidaten der Parteien würden sich nach Wochen und Wochen des Wahlkampfes inzwischen doch schon ziemlich gut untereinander verstehen, wurde von Pamela Rendi-Wagner (SPÖ) und Sebastian Kurz (ÖVP) eines Besseren belehrt.

Rendi-Wagner eröffnete das Gespräch der Chefs der beiden bisher größten Parteien mit einer Attacke auf den Ex-Kanzler, wie sie dieser Wahlkampf bisher noch nicht erlebt hatte: „Nicht vertrauenswürdig“ sei Kurz, er hätte niemals nach Aufkommen des Ibiza-Skandals das Staatswohl im Auge gehabt, sondern immer nur seine persönliche Macht. Außerdem hätte er mehrmals Journalisten vorab von vertraulichen Gesprächen informiert. Kurz – ob dieses Angriffs sichtlich überrascht – konterte, so gehaltvoll seien diese Gespräche mit ihr ja nie gewesen: Zeitungsleser hätten sich nur gelangweilt.

Eiszeit

In diesem Takt ging es weiter: Zwischen Kurz und Rendi-Wagner – sie hatte im Mai den Misstrauensantrag gegen den damaligen Kanzler gestellt und ihn so gestürzt – herrscht augenscheinlich Eiszeit.

Rendi-Wagner legt nach

Im ORF warf Rendi-Wagner Kurz gleich zu Beginn vor, dass dieser seine Pressesprecher dazu angewiesen hatte, die Medien darüber zu informieren, als FPÖ-Chef Norbert Hofer in der Vorwoche im TV-Studio hohes Fieber hatte. Kurz hatte dies empört zurückgewiesen, das sei „das Skurrilste, das ich im Wahlkampf gehört habe“.

Heute, einen Tag danach, legt Rendi-Wagner in einer Aussendung nach: "Wer unehrlich und unaufrichtig ist, muss damit rechnen, dass auch einmal jemand den Mut hat, das auszusprechen“, poltert sie darin. Statt an Hilfe und Unterstützung für Hofer zu denken, habe Kurz nur das Informieren der Sprecher im Sinn gehabt. „Ich war in unmittelbarer Nähe und habe es selbst gehört“, beteuert die SPÖ-Chefin. Es sei „unanständig und unmenschlich“, kritische Situationen anderer Menschen für den eigenen Vorteil zu nützen. „Dieses Vorgehen zeigt die zwei Gesichter des Sebastian Kurz."

Kurz und einige Beobachter widersprechen Rendi-Wagner. Denn die FPÖ hatte um 20.30 an diesem Abend selbst via Pressesprecher erklärt, dass Hofer Fieber hatte.

Vertrautheit bei anderen Gesprächen

Bei den Gesprächen davor hatte sich unter den Kandidaten weitgehend Vertrautheit eingestellt: Sogar Grünen-Chef Werner Kogler und FPÖ-Spitzenkandidat Norbert Hofer duzten einander, als sie ihre völlig unterschiedlichen Positionen zum Bundesheer darlegten: Wehrpflicht und mehr Geld (Hofer) gegen reduziertes Heer und Überarbeitung seiner Aufgaben (Kogler).

Freundliche Härte zeigten auch Kurz und Neos-Chefin Beate Meinl-Reisinger: Uneinig bei Fragen zu Asylwerbern, die eine Lehre beginnen wollen (Neos: dafür, ÖVP: dagegen), oder Ziffernnoten in der Volksschule (Neos: dagegen, ÖVP: dafür), aber mit einem Lächeln zueinander.

Die SPÖ schickte als „Joker“ Jörg Leichtfried gegen Peter Pilz, Spitzenkandidat von Jetzt. Die Steirer waren per „Peter“ und „Jörg“ miteinander, einig gegen Armut, uneins bei der Frage, ob Fleisch teurer werden muss.

Den Beginn hatten Meinl-Reisinger und Hofer gemacht, die sich vor allem beim Thema Parteifinanzen rieben.