Im Nationalrat herrscht derzeit das „freie Spiel der Kräfte“: Weil es keine aufrechte Koalition gibt, kann jede Partei, die eine Mehrheit findet, Gesetze beschließen, statt wie üblich nur die Koalitionsmehrheit.

Praktisch heißt dass, dass jeweils zwei Parteien von ÖVP, SPÖ und FPÖ – sie haben zusammen jeweils mehr als die Hälfte der 183 Mandate – gemeinsam einfache Gesetze beschließen können. Verfassungsänderungen, die zumindest 122 Stimmen brauchten, können diese drei Parteien nur zusammen, ÖVP, FPÖ und Neos oder ÖVP, SPÖ und Neos gemeinsam beschließen.

Sehr unwahrscheinlich, aber theoretisch möglich wäre eine Verfassungsmehrheit gegen die ÖVP mit den Stimmen von SPÖ, FPÖ, Neos, Jetzt und den beiden „wilden“ Abgeordneten Martha Bissmann (Ex-Jetzt) und Efgani Dönmez (Ex-ÖVP).

Vergangene Woche ist nur die Neuwahl am 29. September beschlossen worden – aber für die Julisitzung sind viele Gesetze auf den Weg gebracht worden. Ein Überblick über den Stand im „freien Spiel“.

ÖVP & FPÖ: Die Koalition ist tot, lang lebe die Koalition

Obwohl die türkis-blaue Koalition mit morgen, Dienstag, seit genau einem Monat Geschichte ist, wollen die Parlamentsfraktionen von ÖVP und FPÖ noch einige Vorhaben ihres Regierungsprogramms abarbeiten.
Darunter fallen unter anderem bereits groß angekündigte Maßnahmen: etwa die Anpassung des Haftungsrechts von Viehhaltern auf Almen und Weiden aus Anlass des „Kuh-Urteils“, das Verbot von Plastiksackerln im Handel und die Erhöhung der Mindestpensionen für Menschen mit langer Versicherungszeit (z. B. mindestens 1200 Euro bei 40 Versicherungsjahren).

Aber auch etliche weniger auffällige Gesetzesvorschläge will Türkis-Blau in den nächsten Wochen beschließen: Etwa ein Paket zur Wohnungsgemeinnützigkeit, das Österreicher-Vorrang und Recht auf Eigentumserwerb nach fünf Jahren in Genossenschaften bringen soll. Außerdem novelliert werden soll das Jungfamilienfondsgesetz, die Alterssicherungskommission, die Ausnahme von Anwälten aus dem ASVG, die Regeln für die Transparenzdatenbank sowie für polytechnische Schulen.

SPÖ: Rote Morgenluft

Nach eineinhalb Jahren in der Opposition hat die SPÖ vergangene Woche gleich eine Menge Gesetze auf den Weg bringen können. Auf ihre Initiative gehen unter anderem die Beratungen über ein Glyphosatverbot zurück, jene über das Recht auf einen Papamonat und die Entgeltfortzahlung für freiwillige Helfer.

Weiters haben die Sozialdemokraten ein Verbot von „Konversionstherapien“ für Homosexuelle initiiert, wollen die Absicherung der öffentlichen Trinkwasserversorgung in die Verfassung schreiben und Karenzzeiten voll auf die Pension anrechnen. Nachtschwerarbeiter sollen einfacher anerkannt werden.

Neos: Ehe und Karenz

Während viele Anträge der Neos (etwa auf Abschaffung der kalten Progression) vertagt sind, konnten die Pinken Vorschläge auf flexiblere Aufteilung von Karenzzeiten sowie auf Aufnahme der gleichgeschlechtlichen Ehe ins Internationale Privatrecht durchbringen. Gemeinsam mit SPÖ und Jetzt haben sie das Rauchverbot in Lokalen beantragt.

Jetzt: Pflegegeld und Gericht

Auch viele Anträge von Jetzt (darunter auf die Ministeranklage als Minderheitenrecht) sind gescheitert, aber mit der Anpassung des Pflegegelds an die Inflation steht der ehemaligen Liste Pilz ein Erfolg bevor. Außerdem wurde ein Antrag auf Halbierung der Gerichtskosten in die Beratungen aufgenommen, wenn sich die Parteien sofort vergleichen.