Herr Professor Andreas Khol, erinnert Sie das Geschehen an den Bruch von Schwarz-Blau 2002?
Nein. Damals war die FPÖ gespalten, diesmal ist es ein grässlicher Fehler vom Parteiobmann und die Partei selber ist eine andere Sache.

Das ist nur Strache und Gudenus zuzuschreiben?
In unserer Gesellschaft gibt’s Individualschuld, nicht Kollektivschuld. Das heißt, ausgefressen haben das Strache und Gudenus. Das wirft ein Bild auf die Partei, die Partei ist aufgrund ihrer eigenen Handlungen zu beurteilen, aber nicht in Geiselhaft zu nehmen für alles, was passiert ist.

Hätte der damalige Generalsekretär und heutige Innenminister Herbert Kickl nicht davon wissen müssen?
Der Generalsekretär als Innenminister ist eine Sache, was er hätte wissen müssen, ist Spekulation. Ich denke, dass der Rechnungshof und die Staatsanwaltschaft die Dinge gut leiten und zügig handeln werden.

Kickl kann Ihrer Ansicht nach unterdessen im Amt bleiben?
Das weiß ich nicht. Für mich steht fest, das ist ein grauenhaftes Video. Es zeigt einen völlig außer Rand und Band geratenen Klubobmann und einen ebenso außer Rand und Band geratenen Parteiobmann. Strache hat sich ja bei seiner Rücktrittserklärung selber qualifiziert, dem ist nichts hinzuzufügen. Das stimmt mich traurig, traurig für die Republik, weil der Republik und der Demokratie Schaden zugefügt wird. Das stimmt mich traurig für ein großartiges Reformprojekt, das jetzt einmal zum Stillstand gekommen ist.

Hätten Sie Strache das zugetraut?
Ich war wie vom Blitz gerührt.

Was muss jetzt passieren zur Aufklärung?
Wie ich die Dinge beurteile, haben die „Süddeutsche“ und der „Spiegel“ sieben Stunden Material, und das wird zizerlweise herausgelassen, je nachdem, wie die Betroffenen reagieren. Als Gudenus sagte, es war ein einmaliges Treffen, kam heraus, es waren mehrere. Ich bin überzeugt, nichts ist in Österreich so fein gesponnen, dass es nicht kommt an das Licht der Sonnen. Bis zur Wahl im September werden wir ziemlich genau wissen, wer das Ganze beauftragt und bezahlt hat, weil das ist eine kostspielige Angelegenheit.

Ist das relevant zur Beurteilung der Sache?
Ich glaube, das ist schon relevant. Man muss schon wissen, wer eine solche Falle aufstellt. Zur Beurteilung der Schwere und moralisch-politischen Verwerflichkeit dessen, was Herr Strache und Herr Gudenus gesagt und getan haben, spielt es aber keine Rolle.

Welche Optionen bleiben Sebastian Kurz? Gestern hat er die Brücken zur FPÖ abgebrochen, die zur SPÖ schon vorher.
Die Brücken zwischen SPÖ und ÖVP abgebrochen hat die SPÖ, nicht erst als Christian Kern gesagt hatte, er stehe für Regierungsverhandlungen nicht zur Verfügung. In den ganzen eineinhalb Jahren hat die SPÖ eine Politik der verbrannten Erde betrieben, ohne Ziel, ohne Regel, ohne wirkliche Systematik. Man weiß nichts, außer dass sie dagegen ist. Das kann sich aber ändern. Herr Schieder hat das ja in der „Pressestunde“ angedeutet, als er gesagt hat, nach der Wahl wird man weitersehen. Ich würde auch die Grünen nicht unterschätzen, die sind im Aufwind.

Eine Neuauflage mit der FPÖ halten Sie für ausgeschlossen?
Nein, nein, nein. Seit dem Zwischenfall auf Ibiza halte ich nichts mehr für ausgeschlossen, das hat mich in einer Weise überrascht und getroffen, wie ich als 77-Jähriger eigentlich nicht erwartet hatte, dass ich noch einmal überrascht werde. Das heißt also, es ist alles möglich.

Kennen Sie den Frontalangriff Herbert Kickls auf die ÖVP auf Facebook?
Das ist ein Kickl, ja. Es ist immer eine Frage des Glaubens – wer ist glaubwürdiger, Herr Kickl oder Herr Kurz? Ich glaube, die Österreicher haben das entschieden: 75 Prozent halten die Entscheidung von Sebastian Kurz für richtig.

Wie soll es nach dem Zerwürfnis in den nächsten sechs Monaten weitergehen?
Im Interesse der Republik wäre es, über Befindlichkeiten und Kränkungen und Verletzungen hinwegzukommen und rational zu sagen: Es geht um das Land. In diesen vier Monaten wird der Welt kein Haxen mehr ausgerissen. Wir machen stabil weiter und der Wähler entscheidet, wie es weitergeht.