Frau Wiener, warum kandidieren Sie für das Europaparlament?

Sarah Wiener: Zunächst einmal bewerbe ich mich beim Bundeskongress der Grünen für die Kandidatur. Das tue ich, weil ich glaube, dass die Grünen meine Unterstützung brauchen können und wir die gleichen Werte haben. Ich will für Themen einstehen, mit denen ich mich seit Jahren beschäftige.

Ihre Kandidatur hat Grünen-Chef Kogler heute eher spontan bekannt gegeben. Glauben Sie, dass das bei der Basis durchgeht, die Sie am Bundeskongress am 16. März auf die Liste setzen soll?

Meine Bewerbung ist ein Angebot an die Grünen, ich werde jetzt versuchen, Überzeugungsarbeit zu leisten. Ich war bis jetzt mit Werner Kogler in Kontakt, er mit der grünen Spitze.

Haben Sie denn bei der letzten Europawahl die Grünen gewählt?

Ich habe zuletzt Van der Bellen gewählt, bei der Europaparlamentswahl 2014 die Grünen.

Wenn Sie zuletzt Van der Bellen gewählt haben heißt das, dass Sie bei der Nationalratswahl 2017 nicht die Grünen gewählt haben?

Da habe ich gar nicht gewählt. Als jemand, der in Berlin lebt, fand ich unfair, in Österreichs Innenpolitik einzugreifen.

Sie sind Unternehmerin, das Europaparlament gilt als einer der anspruchsvollsten Politikerjobs. Wie wollen Sie das vereinbaren?

Ich weiß, dass das ein Fulltime-Job ist. Ich bin in meiner Firma seit Langem nur noch für Strategie verantwortlich, aber nicht für das Tagesgeschäft. Aber mir ist klar, dass ich meine anderen Tätigkeiten zurückfahren muss.

Bei der Tagung der EU-Agrarminister während des Ratsvorsitzes haben Sie die EU-Agrarpolitik massiv kritisiert. Was läuft denn Ihrer Meinung nach schief?

Es kann ja nicht sein, dass wir einen Berufsstand – die Landwirte – gleichzeitig subventionieren und vernichten. Einerseits schaffen wir die Vielfalt und kleinbäuerliche Familienbetriebe ab, andererseits verteilen wir mit der Gießkanne Millionen in der Fläche, ohne dass diese Betriebe etwas für Umwelt und Gesellschaft zurückgeben. An der Landwirtschaft hängen auch noch ganz andere Themen: Erosion, Bodenverbrauch, Reinheit des Wassers, Schwinden der Vielfalt von Genen und der Biodiversität; Themen, die die Säule unserer Existenz sind, das Überleben unserer Kindeskinder bestimmen.

Aber die EU-Agrarförderung funktioniert ja jetzt schon so, dass Biobauern und Bauern in schwierigen Lagen mehr bekommen.

Das ist ein Tropfen auf den heißen Stein. Das, was für den ökologischen Landbau ausgegeben wird, ist eine Lachnummer, wenn man es mit den Summen für konventionelle Landwirtschaft vergleicht. Wir sollten überhaupt einmal darüber reden, ob ein Subventionsmodell das richtige ist – ob es nicht besser wäre, Prämien für das richtige zu verteilen.

Wie soll denn das funktionieren, ohne dass dadurch Lebensmittel deutlich teurer werden?

Das möchte ich momentan nicht ganz klar beantworten. Ich möchte nicht am ersten Tag vorgeben, was jetzt gemacht werden muss. Politik ist Kommunikation, Miteinander, etwas zusammen Aushandeln. Ich habe die Weisheit ja leider nicht mit dem Löffel gefressen.

Ich frage, weil ich Ihre Kochbücher mag – und weiß, wenn ich die Zutaten so kaufe, wie sie es vorschlagen, bio und/oder regional, kommt das relativ teuer. Viele können sich das nicht leisten.

Wenn wir über Leistbarkeit reden wollen, müssen wir mitdiskutieren, dass der Preis, den wir heute im Supermarkt zahlen, eine Lüge ist. Die Kosten, die die konventionelle Agroindustrie verbricht, werden nicht eingepreist, die zahlen die Gesellschaft, Tiere, das Klima und andere, die dafür ausgebeutet werden. Dieses „billig“ können wir uns gar nicht leisten.

Aber für Viele ist das ein Problem. Der subventionierte Preis an der Kassa ist Umverteilung nach unten – wir finanzieren über Steuern billigere Lebensmittel.

Aber das stimmt ja nicht. Wir finanzieren ja nicht direkt Lebensmittel für arme Menschen, sondern die falsche Nahrungsmittelindustrie, Bodenvernichtung, Klimaerhitzung, Ressourcenvernichtung in anderen Ländern, Land Grabbing, Water Grabbing. Sie haben schon recht, dass es viele Menschen gibt, die sich nicht jeden Tag ein ökologisches Stück Fleisch leisten können, die mit sich ringen, ob sie jetzt eine Bio-Milch kaufen oder eine H-Milch vom Diskonter – aber wenn wir wollen, dass sich jeder gesund und nachhaltig ernähren kann, müssen wir woanders anfangen.

Bis jetzt sind Quereinsteiger in der Europapolitik nach Wahlen schnell in der Versenkung verschwunden. Wie wollen Sie denn vermeiden, dass es Ihnen so geht?

Das ist immer ein Risiko, aber ich glaube, niemand möchte nur Berufspolitiker in der Politik. Mir ist ganz klar, dass ich viel lernen muss. Aber mir ist wichtig, die grüne Bewegung in Österreich und Europa zu stärken. Können Sie sich vorstellen, dass die österreichischen Grünen nicht im Europaparlament vertreten sein könnten?

Ins österreichische Parlament haben sie es nicht geschafft.

Schlimm genug. Diese ehrenwerte Partei und ihre Werte gehören natürlich ins Parlament. Und dafür bin ich als Grüne – zwar nicht als Parteimitglied, aber als jemand, der der Bewegung seit jeher zugetan ist – bereit, auch ein paar blaue Flecken zu riskieren.