Genehmigungsverfahren beschleunigen, um den Wirtschaftsstandort zu stärken – das ist eines der zentralen Anliegen, denen sich die türkis-blaue Regierung verschrieben hat. Das gesetzliche Herzstück dieses Vorhabens, das sogenannte Standortentwicklungsgesetz von Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck (ÖVP), droht nun allerdings zum Rohrkrepierer zu werden. Seit Anfang Juli liegt der Gesetzesentwurf in Begutachtung, heute endet die Frist für Stellungnahmen. Und es gilt unter Beobachtern als unwahrscheinlich, dass das Stück in seiner derzeitigen Form jemals in Kraft treten wird.

Im Kern sieht das geplante Gesetz vor, dass die Bundesregierung Bau- und Infrastrukturprojekten „von überregionaler, strategischer Bedeutung“ per Verordnung öffentliches Interesse zuerkennen kann. Geschieht das, genießt das Vorhaben im Genehmigungsverfahren Sonderrechte. Kommt etwa die Behörde im Zuge der Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) innerhalb eines Jahres zu keiner Entscheidung, würde das Projekt automatisch als genehmigt gelten. Zu laufen beginnt diese Frist ab der Zuerkennung des „öffentlichen Interesses“ – unabhängig davon, ob der Projektwerber überhaupt schon alle Unterlagen vollständig eingereicht hat.

Umweltorganisationen wie der WWF, Global 2000 und Greenpeace sowie die Umweltanwaltschaften der Länder sprechen von einem „massiven Angriff auf die Rechtsstaatlichkeit“ und einer „Demontage des Umweltrechts“. Doch auch bei Verfassungsexperten, Landesbehörden und Verwaltungsgerichten schrillen die Alarmglocken. Die Rechtsanwaltskammer warnt davor, dass Projektwerber damit die Möglichkeit hätten, Verfahren durch das Zurückhalten von Unterlagen so lange zu verzögern, bis das Projekt automatisch genehmigt ist. Das Amt der Kärntner Landesregierung verweist auf „gravierende verfassungs- und unionsrechtliche Bedenken“, das Tiroler Landesverwaltungsgericht sieht rechtsstaatliche Prinzipien wie das Recht auf ein faires Verfahren verletzt.

Politisch geht der Riss quer durch die ÖVP. Während Vorarlbergs Wirtschaftslandesrat Karlheinz Rüdisser das Gesetz „wegen zu erwartender Rechtsunsicherheiten“ ablehnt, sichert Tirols Landeshauptmann Günther Platter Schramböck „volle Unterstützung“ zu.

Für den Verfassungsjuristen Heinz Mayer ist der Entwurf „ein gesetzliches Monstrum, das seinesgleichen sucht“. Schon dass sich die Bundesregierung überhaupt in UVP-Verfahren und damit in Landeskompetenzen einschalte, sei verfassungswidrig. „Die geplante Genehmigungsautomatik nach Ablauf einer Frist ist ein rechtsstaatliches Abstrusum, das auch gegen europäisches Gemeinschaftsrecht verstößt“, sagt Mayer zur Kleinen Zeitung. Eine klare Rechtswidrigkeit ortet der Verfassungsexperte außerdem darin, dass Beschwerden gegen Genehmigungsbescheide vor dem Höchstgericht nur noch möglich sein sollen, wenn es um „Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung“ geht. „Es ist mir absolut schleierhaft, wer sich das ausgedacht hat“, sagt Mayer.

Dass der Entwurf noch auf rechtstauglich getrimmt werden könnte, glaubt der Rechtswissenschaftler Bernd-Christian Funk nicht. „Dieses Gesetz leidet an irreparablen Konstruktionsschäden. Es besteht überhaupt kein Zweifel, dass weite Teile verfassungs- und europarechtswidrig sind.“ Tritt es dennoch in Kraft, sei einerseits eine Klage der EU-Kommission zu befürchten. „Andererseits ist zu erwarten, dass das Gesetz im Zuge eines beeinspruchten Bewilligungsverfahrens gekippt wird“, sagt Funk.

In Kraft treten sollte das Gesetz mit 1. Jänner 2019. Kritiker werfen der Regierung nun vor, auf untaugliche rechtliche Abkürzungen zu setzen, statt den eigentlichen Ursachen überlanger Verfahren – wie etwa dem Mangel an Amtssachverständigen – entgegenzuwirken.