Smart ist jene Bezeichnung, die für Kern in den vergangenen Jahren wohl am häufigsten verwendet wurde. Stylisch, höflich, wortgewandt und stets den Eindruck vermittelnd, alles im Griff zu haben, sind jene Attribute, die den neuen SPÖ-Chef schon in seiner Rolle als ÖBB-Vorstand begleitet haben.

Als Kanzler schloss der 50-Jährige dort nahtlos an. Die Basis herzt Kern, indem er die Sozialdemokratie in ihrem historischen Kontext hoch leben lässt, den linken Flügel erfreut er mit einer Rede bei der Regenbogen-Parade und die "Pragmatiker"-Gruppe befriedigt er damit, dass er in der Asylpolitik trotz sanfterer Rhetorik den von der Bundespartei übernommenen Kurs der burgenländischen SPÖ bestehen lässt. Dass er auf die "Maschinensteuer" setzt, ist soundso im gesamten sozialdemokratischen Universum ein zeitloser Bringer.

Überraschend war, dass der sonst manchmal kühl wirkende Kern beim Parteitag auch ein wenig Herzschmerz bot. Als ihm schon beim bewusst bescheiden gehaltenen Einzug großer Beifall zuteil wurde, zeigte sich die ein oder andere Träne in des Kanzlers Auge. Seinen 80-Minuten-Votrag beendete er dann auch noch mit dem Griff ans Herz - der Parteitag war irgendetwas zwischen enthusiasmiert und gerührt.

Freilich golden war dann auch wieder nicht alles, was Kern in den fünf Wochen seines Polit-Einstiegs geboten hat. Sein Versprecher in Sachen Asyl-Obergrenze erregte unnötig zwei Tage koalitionäres Zahlenchaos und seine Performance bei der Kür der Rechnungshof-Präsidentin, wo er eine Unabhängige bewarb und dann eine langjährige ÖVP-Funktionärin schluckte, war dann auch kein Glanzstück.

Überhaupt zeigte sich für Kern, dass ein auch noch so gut geplanter Einstieg in die Politik mit schwer zu überwindenden Widerständen verbunden ist. Die ÖVP hat ganz und gar kein Interesse daran, den mit Vorschusslorbeeren begleiteten SPÖ-Chef auch noch mit einem Kanzlerbonus zu versorgen. Da kann die Rhetorik noch so geschliffen sein, der inhaltliche Wille zur positiven Veränderung Richtung "New Deal" noch so groß, gelingt Kern nicht das Kunststück, die ÖVP zu einem konstruktiven Kurs zu bringen, könnte es mit der Kanzlerschaft rasch wieder vorbei sein und Kern gezwungen sein, sich zwischen einem hübschen Manager-Posten und der undankbaren Rolle des Oppositionschefs zu wählen.

Doch vielleicht wäre er sogar tatsächlich zu letzterem bereit, die Politik hatte für den aus eher finanzschwachen Verhältnissen stammenden SPÖ-Chef schon immer hohen Stellenwert, auch wenn er in einem kaum politisierten Haushalt aufwuchs. Zunächst wandte sich der junge Kern einer Grün-Gruppe zu, ehe er dann über den VSStÖ aber doch zur SPÖ fand, bei der der studierte Kommunikationswissenschafter und Absolvent eines postgradualen Lehrgangs im Schweizer St. Gallen als Büroleiter und Pressereferent für den damaligen Beamten-Staatssekretär und späteren Klubobmann Peter Kostelka diente.

Pressesprecher sollte nicht Kerns Lebensaufgabe werden. Er wechselte in den Verbund als nach Eigendefinition "siebenter Zwerg von links", turnte sich aber von Funktion über Funktion bis hinauf in den Vorstand. Von dort weg engagierte ihn Infrastrukturministerin Doris Bures (SPÖ) als ÖBB-Sanierer. Dass er den Job erledigte, dankte ihm seine Mentorin eher weniger. Die enge Vertraute von (mittlerweile Alt-Kanzler) Werner Faymann befand 2014 in einem viel beachteten Interview, dass Kern wohl ein "nicht so guter Politiker" wäre.

Dass sie mit dieser Ansicht so ziemlich alleine war, bewies sich in den Tagen der Demontage Werner Faymanns. Als dieser entnervt in Folge des Pfeifkonzerts am Mai-Aufmarsch alles hinschmiss, war das Kern-Lager in der SPÖ schnell organisiert, der mögliche Kontrahent Medien-Manager Gerhard Zeiler in wenigen Stunden aus dem Rennen. Dies entspricht durchaus der Persönlichkeit Kerns - nach außen stets zurückhaltend, aber flott zupackend, wenn sich die Gelegenheit bietet.

Der neue SPÖ-Chef, verheiratet mit einer Managerin und Vater von vier Kindern aus zwei Verbindungen, gilt als außerordentlich gut vernetzt, was auch bei seinem Marsch Richtung Kanzleramt durchaus hilfreich war, durfte er sich da doch unter anderem auf die diskrete Hilfe von Alt-Kanzler Alfred Gusenbauer und Ex-Staatssekretätrin und Siemens-Chefin Brigitte Ederer setzten. Auch nicht gerade schädlich in seiner Partei ist, dass Kern Fan der Wiener Austria ist - nicht die schlechteste Präferenz für ein wohliges Leben an der SPÖ-Spitze, tummeln sich dort doch rote Schwergewichte wie (FSG-und Austria-Chef) Wolfgang Katzian, (Wiens Bürgermeister) Michael Häupl und (Pensionisten-Chef) Karl Blecha. Auch ein weiteres seiner Hobbys - die Jagd - hat in Österreich hohes Karriere-Potenzial. Nur laufen geht Kern alleine.

Zur Person: Christian Kern, geboren am 4. Jänner 1966 in Wien. Vier Kinder aus zwei Ehen. Studierter Kommunikationswissenschafter. Ab 1991 Assistent des damaligen Staatssekretärs Kostelka, ab 1994 dessen Büroleiter als Klubobmann. 1997 Wechsel in den Verbund, ab 2007 dort Vorstandsmitglied. Ab Juni 2010 Chef der ÖBB sowie ab 2014 Vorsitzender der Gemeinschaft europäischer Bahnen. Seit 17. Mai 2016 Bundeskanzler, seit 25. Juni 2016 SPÖ-Vorsitzender.