FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache ficht die Bundespräsidentschaftswahl wegen einer "Unzahl von Unregelmäßigkeiten und Pannen" an. "Wir sind keine schlechten Verlierer, da geht es um die Grundfesten der Demokratie, die gesichert sein müssen", sagte der Parteichef auf einer Pressekonferenz am Mittwoch. Gefragt, für wie realistisch er die Wiederholung der Wahl halte, sagte Strache: "Für sehr realistisch, weil bei so einer dramatischen Situation kann man nicht zur Tagesordnung übergehen." 

"Ohne diese Pannen und Unregelmäßigkeiten hätte Hofer Präsident werden können", so Strache. Man habe "unzählige" eidesstattliche Erklärungen erhalten, die auf Unregelmäßigkeiten hinweisen. "Das Ausmaß dieser Feststellungen ist mehr als erschreckend und mehr als relevant", sagte Strache. Man sei dem Rechtsstaat und der Demokratie verpflichtet. 

Insgesamt wurden drei Anfechtungen beim Verfassungsgerichtshof (VfGH) eingebracht - eine von ihm selbst als Zustellungsbevollmächtigtem, eine von Präsidentschaftskandidat Norbert Hofer und eine dritte von einem "Wähler und Bürger".

"Misstrauen" gerechtfertigt

Strache sagte, es seien in 94 der 117 Bezirkswahlbehörden Gesetzwidrigkeiten festgestellt worden, so seien etwa in 82 Bezirkswahlbehörden Briefwahlkarten vor Eintreffen der Wahlkommission vorsortiert worden - dies betreffe mehr als 570.000 Wahlkarten. Das "Misstrauen ist gerechtfertigt", sagte der FPÖ-Chef.

In 82 Bezirkswahlbehörden orten die Freiheitlichen bei der Auszählung Mängel von unterschiedlicher Qualität. Dabei geht es um zu frühe Vorsortierung der Wahlkarten, zu frühe Öffnung der Wahlkartenkuverts oder eine zu frühe oder von nicht berechtigten Personen durchgeführte Auszählung der Briefwahlstimmen.

In weiteren Bezirkswahlbehörden seien falschfarbige Stimmkuverts an die Wähler verschickt worden, die dann bei der Stimmabgaben zum Teil als nichtig bzw. ungültig oder aber auch als gültig gewertet wurden. Insgesamt kommt man so auf 94 Bezirkswahlbehörden, wo es bei der Auszählung der Briefwahlstimmen zu Unregelmäßigkeiten gekommen ist, insgesamt seien davon mehr als 570.000 Briefwahlstimmen betroffen.

Keinem Absicht unterstellen

Auf die Frage, ob es Hinweise gebe, dass mit Absicht manipuliert worden sein könnte, wollte sich der FPÖ-Chef nicht einlassen: "Wenn man mutwillig Gesetz bricht, geschieht das aus Dummheit, Unwissenheit oder Absicht." Er wolle aber niemandem Absicht unterstellen, betonte Strache.

"Wir fechten die Wahl nicht um der Anfechtung Willen an", betonte Strache. "Wenn es durch unzählige Hinweise zu so einem Ergebnis kommt, dass wir so ein Desaster feststellen müssen, können wir das nicht hinnehmen." Derartige Vorkommnisse könnten nicht als "irrelevant für den Wahlausgang vom Tisch gewischt werden. Wer darüber hinwegsieht und zur Tagesordnung übergeht, der hat kein ausreichendes Demokratieverständnis."

150-Seiten-Anfechtung eingelangt

Die Anfechtung ist bereits beim Verfassungsgerichtshof eingelangt, bestätigte Sprecher Christian Neuwirth am Mittwoch auf Anfrage der APA. Sie ist sehr umfangreich, 150 Seiten hat Heinz-Christian Strache als Zustellungsbevollmächtigter eingereicht.

Darin finden sich teils bekannte, teils unbekannte Vorwürfe betreffend Unregelmäßigkeiten vor allem beim Umgang mit den Wahlkarten, berichtete Neuwirth.

Knappes Rennen

In der Stichwahl am 22. Mai hatte sich der grüne Bewerber Alexander Van der Bellen gegen den FPÖ-Kandidaten Norbert Hofer durchgesetzt. Dies allerdings relativ knapp, mit 30.863 Stimmen Vorsprung und in Summe 50,35 Prozent. Seither brachte die FPÖ immer wieder Unregelmäßigkeiten vor, die ihr zugetragen wurden. Sie betrafen vor allem die verfrühte Öffnung von Briefwahl-Kuverts bzw. Auszählung der Wahlkarten.

Zur Prüfung, ob die Wahlbehörden in vier Kärntner, einem steirischen und einem niederösterreichischen Wahlbezirk damit Amtsmissbrauch begangen haben, hat das Innenministerium die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft eingeschaltet.

Eine Neuauszählung oder Neuaustragung einer Wahl kann jedoch nur der VfGH anordnen - und die Überprüfung durch diesen können bei der Bundespräsidentenwahl nur Kandidaten beantragen. Inhaltlich befasst sich der VfGH mit einer solchen Anfechtung nur, wenn das Ergebnis ohne den behaupteten Verstoß gegen die Wahlordnung anders ausgefallen wäre - im konkreten Fall also, wenn ohne die behaupteten Fehler Hofer Bundespräsident hätte werden können.