Außenminister Sebastian Kurz hält Angela Merkels Flüchtlingspolitik für falsch. Sie auch?


NAZAN ECKES: Nein. Das war ein wichtiges und menschliches Signal. Aber es ist natürlich auch nachvollziehbar, dass ein Staat wissen will, wer über seine Grenze kommt. Doch wer Hilfe benötigt, muss von Europa Hilfe bekommen.

"Ein wichtiges Signal" - sehen Sie das auch so, Herr Minister?

SEBASTIAN KURZ: Ich stehe hinter dem, was Nazan in puncto Hilfe gesagt hat. Aber wir müssen vor Ort helfen und strategisch agieren. Es kann keine unbeschränkte Flüchtlingsaufnahme in Mitteleuropa geben, das überfordert Einzelstaaten wie Österreich.

Österreichs Asylverschärfungen basieren auf einem Notstand und darauf, dass die öffentliche Sicherheit bedroht sein soll. Ist die überhaupt bedroht?

ECKES: Bedrohung nehme ich ehrlich gesagt keine wahr.

KURZ: Es ist schön, wenn sich Menschen sicher fühlen. Aber es ist schlimm, wenn sie sich bedroht fühlen - und das tun viele. Ein Staat, der Dinge nicht unter Kontrolle hat, erzeugt Ängste. Es kann nicht funktionieren, dass sich Migranten das Land aussuchen, in dem sie einen Asylantrag stellen.

Ist es verständlich, dass sie das wollen?

ECKES: Natürlich. Unseren Wohlstand und unsere Werte haben wir ja nicht für uns alleine gepachtet. Also verstehe ich Menschen, die an diesem Glück teilhaben wollen.

KURZ: Diesen Punkt sehe ich ja genauso: Dass wir den Menschen, die kommen, keinen Vorwurf machen dürfen. Aber das System bricht zusammen, wenn der Zustrom unkontrolliert ist.

Kann es in Österreich oder Deutschland eigentlich zu viele Muslime geben?

KURZ: Es geht nicht darum, ob es zu viele Muslime in Österreich geben kann. Es geht darum, dass Integration bei ungesteuertem Zustrom nicht funktioniert.

Bleiben Sie bei Ihrer Aussage, dass der Islam zu Österreich gehört?

KURZ: Natürlich. Aber einen europäischen Islam und keinen Islamismus, der aus dem Ausland gesteuert wird.

Und in Deutschland, Frau Eckes?

ECKES: Da gibt es keine Höchstzahl. Viele leben doch seit vielen Generationen hier und das funktioniert auch.

Sie sind Tochter türkischer Einwanderer und sitzen gerade neben dem Integrationsminister. Wie kann Integration Ihrer Meinung nach besser funktionieren?

ECKES: Meiner Elterngeneration wurde es noch schwer gemacht, Anschluss zu finden. Für mich war es bereits viel leichter, weil ich von kleinauf Deutsch sprach. Der erste Weg führt also auf jeden Fall über Deutschkurse. Aber man muss auch eine Willkommenkultur spüren, um sich zu integrieren. Das muss aber in beide Richtungen gehen. Die Leute müssen auch aktiv daran arbeiten, sich zu integrieren.

Frau Eckes, zum Abschluss: Wieso sind Sie eigentlich im Wahlkampf Ihres Schwiegervaters dabei?

ECKES: Man könnte natürlich auch gemütlich daheim liegen. Mein Schwiegervater liegt mir persönlich sehr am Herzen. Ich kenne ihn als jemanden, der für sein Land brennt. Wir sind eine Familie, also unterstützen wir uns natürlich gegenseitig.

Umfragen bescheinigen ihm nicht die besten Chancen.

ECKES: Ich sehe Umfragen immer kritisch. Außerdem kann sich die Stimmung schnell ändern. 

 Interview: Klaus Knittelfelder