Einsamkeit gehört zu jenen sozialen Themen, die nicht so leicht zu fassen sind. Zu Gesundheit, Einkommen, Wohnsituation sowie zu Arbeit und zum Freizeitverhalten liegen zahlreiche Statistiken vor, im Vergleich dazu ist das Phänomen der Einsamkeit ein blinder Fleck. Was aus internationalen Untersuchungen bekannt ist: Es ist ein wachsendes Problem – auch in Österreich.
Im Auftrag des Sozialministeriums legte die Statistik Austria am Dienstag erstmals umfassende Zahlen dazu vor. Sie zeigen, dass Einsamkeit erstens weitverbreitet ist sowie, zweitens, junge und sehr alte Menschen am häufigsten betrifft. Auch andere Faktoren, die Einsamkeit fördern, wurden in der Studie herausgearbeitet. Wenig überraschend betrifft das etwa Armut sowie Krankheiten, aber auch die Stadt als Wohnort.
Städter sind öfter von Einsamkeit betroffen
Obwohl in urbanen Räumen viel mehr Menschen wohnen und das Freizeitangebot vielfältiger ist, gaben doppelt so viele Menschen an, sich einsam zu fühlen, im Vergleich zu dünn besiedelten Gebieten. In Städten gaben elf Prozent an, sich in den vergangenen vier Wochen „immer“ oder „meistens“ einsam gefühlt zu haben, während dieser Anteil in dünn besiedelten Gemeinden bei sechs Prozent lag.
Insgesamt gaben acht Prozent an, stark unter Einsamkeit zu leiden. Hochgerechnet sind das ungefähr 750.000 Personen. Rund ein Viertel der Personen fühlte sich in den vier Wochen vor der Befragung zumindest gelegentlich einsam. Bei der Aufschlüsselung nach Alter fällt auf, dass sowohl junge Erwachsene als auch Personen, die älter als 74 Jahre sind, ein deutlich höheres Risiko aufweisen, von Einsamkeit betroffen zu sein.
Sozialministerin Korinna Schumann verweist in diesem Zusammenhang auch auf Erkenntnisse der Jugend-Hotline „Rat auf Draht“, wonach auch das Eintauchen in Online-Welten auch in diesem Zusammenhang Schattenseiten habe: „Erhöhter Konsum sozialer Medien fördert Einsamkeit und verhindert sie nicht“, sagte Schumann bei einem Pressetermin. „Einsamkeit entsteht nicht nur durch fehlende Kontakte, sondern durch das Gefühl, dass Nähe und Austausch nicht dem entsprechen, was man braucht.“
Die Pandemie als Brennglas
Die Daten zu Einsamkeit in Österreich entstammen dem Projekt „So geht’s uns heute“, das im Zuge der Pandemie vom Sozialministerium in Auftrag gegeben und vorerst für weitere zwei Jahre verlängert wurde. Dabei werden vierteljährlich die Lebensbedingungen, das Einkommen sowie das subjektive Wohlergehen der österreichischen Bevölkerung erfasst, um soziale Folgen von Krisen und sonstigen gesellschaftlichen Entwicklungen zeitnah und verlässlich zu erforschen.
„Das Thema Einsamkeit ist bei der Pandemie wirklich aufgepoppt“, sagt die Psychologin Beate Wimmer-Puchinger, die auch Präsidentin des Berufsverbandes ist. Die Weltgesundheitsorganisation würde sogar schon von einer Epidemie sprechen, die auch auf andere Lebensbereiche maßgebliche Auswirkungen habe: „Wenn wir alle vereinzeln, entsolidarisieren wir uns“, sagte Wimmer-Puchinger.
Junge Erwachsene: seltener allein, aber öfter einsam
Dass in der Altersgruppe der 18- bis 34-Jährigen manifeste Einsamkeit doppelt so oft genannt wird, wie bei Personen zwischen 50 und 64 Jahren, gehört auch zu den eher unerwarteten Befunden und zeigt, dass das Gefühl der Einsamkeit eine subjektive Empfindung ist, die nur bedingt quantifizierbar ist. In der Zeitverwendungsstudie der Statistik Austria offenbart sich nämlich, dass junge Erwachsene viel weniger Zeit pro Tag allein verbringen, aber eben dennoch häufiger von Einsamkeit berichten als ältere Personen bis 64 Jahre.
Auch die Haushaltsform und die Herkunft spielen eine Rolle: Alleinlebende (19 Prozent) und Alleinerziehende (12 Prozent) sind überdurchschnittlich oft von Einsamkeit betroffen, ebenso im Ausland Geborene (13 Prozent gegenüber 6 Prozent bei in Österreich Geborenen). Armut und Arbeitslosigkeit führen ebenfalls überproportional zu Einsamkeit mit Werten zwischen 16 und 17 Prozent.
Die Regierung will laut Schumann in Projekte investieren, die Menschen zusammenbringen, „quer durch Generationen und Bundesländer“, so die Ministerin. In den vergangenen Jahren hat es etliche Vorstöße gegeben, die das wachsende Problem adressiert haben. Eines ist während des ersten Lockdowns in der Pandemie entstanden – und läuft nach wie vor. Auf Initiative der Caritas wurde damals das „Plaudernetz“ ins Leben gerufen. Es ist täglich von 10 bis 22 Uhr unter der Telefonnummer 05 1776 100 erreichbar „für alle, die auf der Suche nach einem guten Gespräch sind“. Unter www.plaudernetz.at kann sich auch melden, wer als „Plauderpartner“ zur Verfügung stehen will.