Der vorläufige Höhepunkt dieser Legislaturperiode rückt näher. Am 13. Mai wird Finanzminister Markus Marterbauer (SPÖ) seine erste Budgetrede im Nationalrat halten und rund eine Stunde lang über den Staatshaushalt der Jahre 2025 und 2026 referieren. Politisch ist das hochgradig relevant, wird speziell heuer auch richtig spannend – und langweilig.
Es sei klargestellt: Das liegt nicht am Wesen des langjährigen Wirtschaftsforschers, sondern an jenem des üppigen Zahlenwerks und dessen Bedeutung. Rudolf Edlinger, zwischen 1997 und 2000 Finanzminister und normal ein Freund des flotten Spruches, nannte seine Rede 1998 „die fadeste, die ich in meinem ganzen politischen Leben gehalten habe“. Immerhin sorgte er mit seiner Krawattenwahl für ein wenig Unterhaltung. Er entschied sich damals für Glücksschweinderl.
Die Rede ist aber in der Tat von hoher Bedeutung. Das gesamte Budget, das sich mit allen Teilheften und Konten über 4000 Seiten erstreckt, muss am Tag der Rede in gedruckter Form vorliegen. Das Finanzministerium unterhält unter anderem deshalb bis heute eine hauseigene Druckerei. Die Rede selbst wird den Abgeordneten tags zuvor geschickt – was einzigartig ist. Dennoch gilt das gesprochene Wort, da es sich nur um eine Gesetzesvorlage handelt. Theoretisch könnte also der Finanzminister vom Druckwerk inhaltlich abweichen – was er natürlich nicht tut.
Doch umso umfangreicher ist für jeden Finanzminister die Vorbereitung auf die Rede. Während die Regierungsmitglieder noch um Millionen feilschen, bereitet sich der Ressortchef, in der Regel mit einem ganzen Team, auf seinen Auftritt vor. Jede Zahl muss exakt stimmen, die präsentierten Fakten dürfen nicht angreifbar sein. Marterbauer hat mit den ersten Gedankennotizen auch schon vor zwei Wochen begonnen. Viel länger als eine Stunde sollte die Rede übrigens nicht sein, Maria Fekter sprach einmal 75 Minuten, Gernot Blümel war dafür 2020 in rund einer halben Stunde fertig.
Früher waren die Reden zahlenlastiger, die Vorträge betont nüchtern. Ferdinand Lacina leitete seinen Voranschlag 1994 mit einer Auflistung der Kenndaten zu Einnahmen, Ausgaben und Defizit ein, hantelte sich danach über ökonomische Analysen zu den einzelnen Steuersätzen vor. Die Rede schloss er zurückhaltend: „In politisch unruhigen Zeiten wollen wir ein Signal der Verlässlichkeit und Stabilität geben. Der Entwurf des Bundeshaushalts für 1994 ist dafür eine gute Grundlage.“ Bis auf die Jahreszahl würde dieser Satz auch in Marterbauers Rede passen.
Karl-Heinz Grasser stellte eine Zäsur dar – in zweifacher Hinsicht. Er schmückte seine Reden mit etlichen Zitaten, zuerst aus der Werbebranche („Ein guter Tag beginnt mit einem sanierten Budget“), in späteren Jahren aus der Weltliteratur. Zweitens war speziell die Präsentation des Budgets 2000 eine Generalabrechnung mit der Fiskalpolitik früherer Jahre: „Der Staat ist ein Sanierungsfall.“ Die ÖVP-Abgeordneten spendeten Grasser minutenlang stehende Ovationen, was bis dahin auch neu war.
Im Jahr 2003 wollte Grasser dann seine Budgetrede sogar mit einer Powerpoint-Präsentation begleiten. Diese Inszenierung wurde dem zu jenem Zeitpunkt bereits parteilosen Finanzminister von der Präsidialkonferenz des Nationalrates aber verwehrt. Die kuriose Begründung: „Wegen der damit verbundenen unverhältnismäßigen Kosten“. Der Haushalt für 2004, den der „Mister Nulldefizit“ damals präsentierte, sollte übrigens Jahre später zu einer peinlichen Korrektur durch die EU-Kommission führen. Ein Schuldenerlass für die ÖBB wurde nachträglich als Maastricht-wirksam gewertet und Grassers Defizit auf 4,9 Prozent hinaufkorrigiert.
Nach Grasser waren die Budgetreden nie mehr wie davor, sondern stets akzentuierte, politische Reden, die auch auf eine gewisse Außenwirkung bedacht waren. Zumindest ein paar Sätze sollten sich in der öffentlichen Wahrnehmung festsetzen. Dass es vom Koalitionspartner keine Standing Ovations mehr gab, lag daran, dass die folgenden ÖVP-Finanzminister ihre Reden auch dafür verwendeten gegen ihre SPÖ-Vorgänger zu sticheln.
Der Blick zurück ist ein gutes Dokument des getrübten rot-schwarzen Verhältnisses jener Koalitionstage. Wilhelm Molterer geißelte 2008 den „Schulden-Rucksack der vergangenen Jahrzehnte“, und auch Josef Pröll erwähnte 2012 in seiner Rede „die Schulden, die wir geerbt haben“. Das kam bei der SPÖ semi-gut an. Die Budgetrede Hans Jörg Schellings 2016, wenige Monate nachdem Christian Kern als Kanzler übernommen hatte, war dann sogar ein kleiner Eklat. Schelling richtete Kern damals aus, dass er von seinem „New Deal“ wenig begeistert sei: „Den Wohlstand über neue Schulden erreichen zu wollen, ist der falsche Weg, wie uns Beispiele aus der Vergangenheit und leider auch aus der Gegenwart zeigen.“
Auch unter diesem Gesichtspunkt wird Marterbauers Rede am 13. Mai interessant. Dass dem ehemaligen Arbeiterkammer-Ökonomen und Dauerkritiker vergangener Budgetpolitik weit mehr auf der Zunge liegt, als sich in seiner Budgetrede finden wird, darf angenommen werden. Aber wird er sich jeden Kommentar verkneifen?