Wir teilen dieselben Werte, haben dieselben Interessen und die gleiche Weltsicht. Es ist gut, dass die USA zurück sind“: EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen konnte zum Auftakt des europäischen Gipfel-Marathons von Joe Biden kaum noch freundlichere Worte finden über das neue Amerika, das der amerikanische Präsident repräsentiert. Der US-Präsident hat seine Tour in Großbritannien begonnen und ließ dabei Brexit-Premier Boris Johnson glänzen, gleichzeitig machte er klar, dass ihm die Kalamitäten zwischen dem Königreich und der EU alles andere als egal sind – und dass er im Zweifel die EU-Linie vertritt.

Ein passender Einstieg für die Union, die für Biden in Brüssel den roten Teppich ausrollt. Heute nimmt er am Nato-Gipfel teil, morgen gibt es einen Mini-Gipfel mit den Spitzen der EU-Institutionen, bevor er dann am Mittwoch in Genf auf Wladimir Putin trifft. Drei große Ereignisse an drei Tagen, die zeigen, wie verschränkt und kompliziert die internationale Politik ist. Hier die wichtigsten Punkte:

Nato und Türkei

Auf EU-Ebene ist das Verhältnis zu Recep Tayyip Erdoğan nicht erst seit „Sofagate“ schwer gestört, dazu kommt die Abhängigkeit durch das milliardenschwere Migrationsabkommen. Gleichzeitig ist die Türkei einer der wichtigsten Nato-Partner, der aber mit Nachbarn und Nato-Mitglied Griechenland im Dauerclinch liegt. Von den USA erhofft man sich einen Beitrag zur Deeskalation. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron wollte Erdoğan unmittelbar vor dem heutigen Gipfel noch unter vier Augen sprechen – die beiden sind erbitterte Gegner, beim Gespräch sollte es u. a. um Syrien und Libyen gehen.

Außenbeziehungen

Abgesehen von der Türkei und Russland (siehe rechts) ringt die EU auch im Umgang mit China oder Afrika um klare Positionen. Die Iran-Frage wird Biden wohl auch beim Gespräch mit Putin anschneiden.

Wirtschaft

Auf beiden Seiten des Atlantiks hat mit riesigem Einsatz der Wettlauf um den wirtschaftlichen Wiederaufschwung begonnen. Doch die Pandemie hat vor allem in der EU Schwächen aufgezeigt, die nun über den „Green Deal“ und die Digitalisierungsoffensive wettgemacht werden sollen – eine Hauptstoßrichtung ist, die digitale Vormachtstellung des Silicon Valley zu stoppen und die Übermacht der US-Giganten einen Riegel vorzuschieben. Ein Ende der Sonderzölle ist nicht in Sicht. Immerhin herrscht neuerdings Einvernehmen darüber, die Online-Riesen weltweit aus ihren Steueroasen zu vertreiben. Gleichzeitig müssen sowohl die EU als auch die USA enorme Anstrengungen unternehmen, um die armen Länder mitzunehmen.

WTO-Streit

Aufräumen hinter Donald Trump, unter diesem Motto steht auch die nun dringend nötige Reform der Welthandelsorganisation (WTO). Trump hat die Einrichtung quasi blockiert, in dem er ausstehende Ernennungen neuer Richter nicht umgesetzt hat. Das Schiedsgericht wäre sehr wichtig, auch im Umgang mit China, dem sowohl USA als auch EU marktverzerrende Politik vorwerfen.

Zukunftstechnologien

Ein weites Themenfeld mit vielen offenen Fragen. Das Abkommen für Datentransfers wurde vom EuGH gekippt, neue Technologien wie E-Mobility, autonome Fahrzeuge oder künstliche Intelligenz (AI) verlangen aber nach laufenden Adaptierungen bestehender Verträge.

Klimaschutz

Die Rückkehr der USA in das Pariser Abkommen wird als großer Schritt gefeiert, aber wenn es um konkrete Themen wie Kohleausstieg oder CO2-Bepreisung geht, ist man erst am Beginn der Verhandlungen.