17 Tage vor dem EU-Austritt treibt das Brexit-Spektakel in Westminster unaufhaltsam seinem Höhepunkt zu. Von Brexiteers und Proeuropäern bedrängt, findet sich Theresa May im Netz ihrer eigenen Versprechen verstrickt. Immer mehr Tory-Politiker fordern jetzt den Rücktritt der britischen Premierministerin.

Die Brexit-Hardliner ihrer Partei drohen ihr für heute eine erneute schwere Niederlage im Unterhaus an – und einen Aufstand, sollte sie eine Verzögerung des auf 29. März terminierten Austritts bei einer separaten Abstimmung in der zweiten Wochenhälfte zulassen. Aber auch proeuropäische Minister wollen weitere Ausweichmanöver nicht länger tolerieren.

May hatte dem Parlament für den heutigen Dienstag ein erneutes Votum über „ihren“ Brexit-Deal mit der EU angekündigt. Bei der ersten Abstimmung Mitte Jänner war dieser Vertrag abgeschmettert worden.

Aber May hoffte unverdrossen, dem Unterhaus diese Woche einen revidierten Vertrag vorlegen zu können. Mit einem Blitztrip nach Straßburg wollte sie am Montagabend das Ruder herumreißen. Bei Verhandlungen in letzter Minute mit EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker sollte es in erster Linie um die umstrittene Auffanglösung für die irische Grenze gehen, den sogenannten Backstop. Spät in der Nacht verkündete man einen "Durchbruch", allerdings schien es zumindest unmittelbar nach den Gesprächen Auffassungsunterschiede über dessen Inhalt zu geben. May sprach laut Agenturmeldungen davon, dass der Backstop für den Fall, dass bis 2020 keine Lösung gefunden werden könne, von Großbritannien einseitig gelöst werden könne, was an sich für die EU nicht infrage kommt. Präziser liest sich da ein langes Statement von Kommissionschef Juncker, der von Ergänzungen und Klarstellungen zum ausgehandelten Vertrag schreibt, der aber auch jetzt nicht mehr angerührt werden soll. Die Labour-Party hat in einer ersten Reaktion schon einmal mitgeteilt, gegen den Vorschlag zu stimmen, die irische DUP will die Details noch genauer prüfen.

Zu den Abstimmungen, die May den Parlamentariern für diese Woche zugesagt hat, gehört eine zur Frage, ob ein Abgang aus der EU ohne Vertrag akzeptabel wäre. Sollte das Unterhaus aber auch das ablehnen, hatte May für Donnerstag eine dritte Abstimmung zur Verschiebung des Austritts versprochen. Spätestens zu diesem Zeitpunkt wollen die Brexiteers in der Regierung und in der Fraktion rebellieren.

Ein Aufschub bedeutet für sie, dass sich die Regierung auf ein neues EU-Referendum vorbereitet. May selbst hatte unzählige Male versprochen, dass es keine Verzögerung geben werde. „Am 29. März um 23 Uhr“, hatte sie beteuert, „treten wir aus der EU aus.“ Mittlerweile sieht sie sich von ihren Hardlinern aber derart angefeindet, dass man in London fragt, wie lange sie sich noch halten kann.

Damit nicht genug, hat nun auch die Schottische Nationalpartei (SNP) angekündigt, dass sie einen Antrag im Unterhaus einbringen will, der Schottland das Recht zu einem erneuten Unabhängigkeitsreferendum verschaffen soll.