Ausgerechnet an dem Tag, an die SPÖ ursprünglich ihren Bundesparteitag abhalten und ihn als Parteichef bestätigen hätte wollen, hat Ex-Kanzler und Ex-SPÖ-Chef Christian Kern erklärt, nun doch nicht bei der EU-Wahl kandidieren zu wollen. Es ist ein vorläufiger Schlusspunkt in der chaotischen Serie von Ereignissen rund um Kerns Rückzug.

Der Grund sei, so Kern in seiner Abschiedserklärung am Samstagmittag, dass er gemerkt habe, dass er als Ex-Kanzler "dem innenpolitischen Klein-Klein" nicht entkommen könne. Außerdem hätte er versucht, über die Grenzen der Sozialdemokraten hinaus eine europäische Allianz gegen Rechtspopulisten und -extremisten zu schmieden, etwa mit Frankreichs Präsident Emmanuel Macron und Griechenlands Premier Alexis Tsipras, sei damit aber an der Partei gescheitert.

Sein Verdienst, so Kern, bleibe es, für die SPÖ langfristige Personalpolitik gemacht zu haben. Sowohl seine Nachfolgerin an der Parteispitze, Pamela Rendi-Wagner, als auch den neuen Geschäftsführer Thomas Drozda hatte ja er vor eineinhalb Jahren in die Regierung geholt. "Es ist kein Zufall, dass Rendi-Wagner bei der Nationalratswahl auf Platz 2 der Liste gestanden ist."

Was seine persönliche Zukunft angeht, liebäugelte Kern mit einer Unternehmensgründung. Details nannte er aber nicht. Er habe immer gesagt, kein Berufspolitiker sein zu wollen, so Kern. "Ich freue mich, mein Leben zurückzubekommen und den Weg in Wirtschaft und Unternehmertum zurückzugehen."

Schieder zieht in die Parlamentswahl

An seiner statt soll Ex-Klubobmann Andreas Schieder die Sozialdemokratie in die Europaparlamentswahl Ende Mai 2019 führen, wie parteiinterne Quellen der Kleinen Zeitung bestätigen. Die Kandidatur soll morgen, Sonntag, bei der Parteiklausur am Wiener Kahlenberg fixiert werden.

Kern hatte am 18. September seinen Rücktritt als SPÖ-Chef angekündigt, nach einer mehrstündigen Schrecksekunde für die Partei aber angefügt, dass er bei der EU-Wahl als Spitzenkandidat für die SPÖ antreten werde und darüber hinaus auch eine europaweite Spitzenkandidatur für die Sozialdemokraten anstrebe. Die SPÖ-Parteigremien hatten Kern darauf hin bereits als Spitzenkandidat abgesegnet.

Noch vor zwei Wochen hatte Kern auf Facebook gepostet: "Ich darf euch versichern, dass ich nun mit ganzer Energie und größter Leidenschaft dafür kämpfen werde, dass die SPÖ bei der kommenden Europawahl Erster und die Sozialdemokratie in Europa gestärkt wird."

Auch Rendi-Wagner mit Rückzug überrumpelt

Nachdem Pamela Rendi-Wagner in der vergangenen Woche die Führung der Partei übernommen hat, wurden SPÖ-intern aber Rufe lauter, die sich wegen des chaotischen Abgang Kerns gegen dessen Spitzenkandidatur aussprachen.

Rendi-Wagner selbst soll erst heute Vormittag, kurz bevor die Information öffentlich verbreitet wurde, von Kern verständigt worden sein. Bereits in den vergangenen Tagen war aber zunehmend Distanz zwischen Rendi-Wagner und Kern spürbar geworden. Hintergrund ist die für Kern ungünstige Stimmung innerhalb der Partei. Die kritischen Stimmen mehrten sich: jene, die sich fragten, ob die Performance rund um seinen Abgang und den Umstand, dass er sich tatsächlich als „Prinzessin mit Glaskinn“ erwiesen hat förderlich für einen solchen Wahlkampf sind, heißt es aus der Partei. Die weitere Vorgangsweise wird zentrales Thema der morgigen Klausur sein.

Weitere Kandidaten für das Spitzenfeld der SPÖ-EU-Liste sind der steirische Ex-Infrastrukturminister Jörg Leichtfried, der schon 2014 in EU-Parlament eingezogen war sowie die derzeitige Fraktionsführerin Evelyn Regner, die auf dem Ticket der Gewerkschaft sitzt.