Bundespräsident Alexander Van der Bellen warnt vor den Konsequenzen eines Zerfalls der Europäischen Union. "Wir sind alle gut beraten, uns klarzumachen, was es bedeuten würde, wenn die EU zerfällt. Insbesondere die kleinen Staaten wie Österreich tun gut daran, sich das wohl zu überlegen", sagte Van der Bellen in einem Interview mit der "Kronen Zeitung" (Samstagsausgabe).

Nachsatz des Staatsoberhaupts: "Und im Weltmaßstab sind alle EU-Staaten klein, auch Deutschland." Ein Baum brauche zum Wachsen mindestens 30 Jahre, aber gefällt sei er in drei Minuten, bemühte der ehemalige Grünen-Chef einen Vergleich aus der Natur. "So ist es auch mit der EU. Man kann - Stichwort Brexit - aus der Union austreten, aber schauen Sie, was Großbritannien jetzt für Zores hat. Patentrezepte gibt es nicht. Daher kommt es auf jeden Einzelnen von uns an, sich zu überlegen, in welchem Europa er leben will."

Von einer Rückkehr zum "Nationalstaat-System" hält der Bundespräsident nichts: "Dann werden wir zu einem Fußball auf einem stürmischen Meer, der schutzlos den Wellen ausgeliefert ist. Umgeben von Nachbarn, die uns nicht immer wohlgesonnen sind. In diesem weltpolitischen Maßstab in einer wirtschaftlich globalisierten Welt müssen wir es uns politisch überlegen, wie wir dagegenhalten." An der EU-Mitgliedschaft würden Hunderttausende Arbeitsplätze hängen. "Wir profitieren als kleines Land mit vielen Exporten von der EU - und von der Osterweiterung ganz besonders. Wenn das alles wurscht ist, dann muss man bitte dazusagen: Das heißt Zerstörung der Union plus Armut. Ich habe das langsam satt. Wer nicht versteht, was hier auf dem Spiel, steht, der hat es sich nicht gründlich überlegt."

Asyl und Migration auseinanderhalten

Die weltpolitische Situation sei alles andere als einfach, "umso mehr müssen wir in Europa zusammenstehen", meinte der 74-Jährige. "Der Handelskrieg zwischen den USA und China scheint voll loszugehen, wer weiß, wie er sich mit der EU entwickelt". Der Bundespräsident appellierte auch, die Themen "Asyl" und "Migration" auseinanderzuhalten. "Was 2015 und 2016 passiert ist, war in den Augen vieler Menschen zu viel und zu schnell. Das wirkt jetzt nach." Ob es eine Möglichkeit sein könnte, außerhalb der EU-Grenzen Sammelpunkte aufzubauen, bewertete der Bundespräsident so: "Ich wäre für einen Schritt vorher: Um die Sammelpunkte zu vermeiden, müssen wir die Leute überzeugen, dass der Weg nach Norden - ich spreche jetzt von Afrika - nicht sinnvoll ist." Das sei aber eine langfristige Perspektive.