Es ist keine leichte Aufgabe, während einer Zeitenwende mit einer Kolumne zu beginnen. Die Vergangenheit scheint trügerisch, die Zukunft ungewisser denn je, und mir als gegenwärtig Schreibende kommt die Aufgabe zu, beides irgendwie zusammenzuhalten. Zitate kluger, oft längst verstorbener Menschen helfen dabei, Zitate sind in meiner Social-Media-Blase gerade sehr beliebt. Zitate zeugen von Kontinuität statt von Zeitenwende – erschreckend und tröstlich zugleich. So schrieb Ingeborg Bachmann vor siebzig Jahren: „Der Krieg wird nicht mehr erklärt, sondern fortgesetzt“. Es ist der Beginn ihres Gedichts „Alle Tage“ und als ich die Verse lese, fällt mir wieder ein, dass ich im Herbst schon einmal dachte: Es herrscht Krieg! Damals empfahlen zwei Bekannte unabhängig voneinander Beiträge des TV-Senders Auf 1. Ich öffnete die Internetseite. Das Medium bezeichnete sich als alternativ und unabhängig, das Logo erinnerte an das der ARD, und der Chefredakteur gab sich seriös. Doch dann las ich die Überschriften und klickte in ein paar Beiträge hinein. „Der Großkampf gegen das Impflicht-Gesetz hat begonnen“, „Polizisten machen Jagd auf Bürger“, „Der Widerstand auf der Straße geht weiter“. Covid-Geimpfte stünden auf „Tretminen“ und westliche Männer seien „verweichlicht“. Gegen Flüchtlinge aus muslimischen Ländern wurde ebenso gehetzt wie gegen den „Genderwahn“. Mir schwante: Ganz gleich, welches Thema, wenn es geeignet scheint, Menschen in pluralistischen, um Offenheit ringende Gesellschaften mental gegeneinander aufzurüsten, dann weidet Auf 1 es aus.