Mitten in Kiew ertönt plötzlich die "Ode an die Freude" von Ludwig van Beethoven. Auf dem weltberühmten Maidan Platz hat der Dirigent des Kiewer Klassischen Symphonieorchesters Herman Makarenko am Mittwoch Musiker versammelt. Sie senden mit ihrem Konzert eine politische Botschaft, denn die "Ode an die Freude" ist auch die Hymne der Europäischen Union.

Seit Jahren kämpft die Ukraine um eine stärkere Anbindung an Europa, was Russlands Präsident Wladimir Putin jetzt mit aller Macht verhindern will. Der Maidan ist das Symbol für die Loslösung aus alten Bindungen und Fesseln, als die Ukraine noch Teil der Sowjetunion war. 2013 starteten hier monatelange Proteste gegen den Präsidenten Viktor Janukowitsch, der Beitrittsgespräche mit der EU stoppte und engere Bindungen an die Regierung in Moskau suchte. Der ungeliebte Präsident wurde 2014 gestürzt und verließ das Land in Richtung Russland.

Vor dem Orchester versammeln sich mehrere Dutzend Menschen. Einige schwenken ukrainische Flaggen. Die rund 20 Musiker – normalerweise hat das Orchester 65 bis 70 Mitglieder – spielen auch die ukrainische Nationalhymne. In einer Textzeile heißt es: "Die Ukraine ist noch nicht untergegangen (...) unsere Feinde werden wie Tau in der Sonne vergehen." Die Zuhörer applaudieren. Eine Frau ruft laut: "Für die Ukraine!"

Dirigent Makarenko sagt Journalisten, das Konzert sei ein Appell zum Frieden. "Wir wollen unseren Präsidenten Wolodymyr Selenskyj unterstützen, der alle Regierungen der Welt aufgerufen hat, aufruft und aufrufen wird, den Krieg in der Ukraine zu beenden."

Der Krieg ist auch am Mittwoch in Kiew allgegenwärtig. Sirenen heulen und warnen vor drohenden Luftangriffen. Soldaten an Straßenkontrollen durchsuchen Autos. Vor der Stadt, die zu Friedenszeiten 3,4 Millionen Einwohner hatte, versucht die russische Armee, den Belagerungsring immer enger zu ziehen. Zehntausende haben die Hauptstadt bereits verlassen.