Die Aktivisten der Gaza-Hilfsflotte haben am Mittwoch bei einer Pressekonferenz in Wien erneut Foltervorwürfe gegenüber Israel erhoben und die österreichische Regierung scharf kritisiert. Außenministerin Beate Meinl-Reisinger (NEOS) mache sich „mitschuldig an diesem Genozid, wenn sie die israelische Regierung als Freund bezeichnet“, sagte Julian Schütter, einer der vier österreichischen Aktivisten der Global Sumud Flotilla, die in Israel knapp fünf Tage festgehalten wurden.

Pro-palästinensische Aktivisten wollen die israelische Seeblockade des Gazastreifens durchbrechen und Hilfsgüter in das Kriegsgebiet liefern. Israels Marine hatte vergangene Woche in der Nacht von Mittwoch auf Donnerstag mehr als 40 Boote abgefangen. Gut 400 Besatzungsmitglieder aus Dutzenden Ländern - darunter die schwedische Aktivistin Greta Thunberg und vier Aktivisten aus Österreich - wurden in Gewahrsam genommen, viele von ihnen inzwischen wieder freigelassen und abgeschoben. Die Organisatoren der Global Sumud Flotilla warfen den israelischen Behörden vor, mehrere Festgenommene körperlich und psychisch misshandelt, gedemütigt und ihrer grundlegenden Rechte beraubt zu haben. Israels Regierung wies derartige Anschuldigungen als „dreiste Lügen“ zurück und betonte, alle Rechte der Festgenommenen seien „vollständig gewahrt“ worden.

Aktivisten sprechen von Piraterie

Die israelische Marine habe ihr Boot 80 Seemeilen vor der Küste Gazas, also in internationalen Gewässern geentert. „Das entspricht klassischer Piraterie“, so der Ex-Skirennläufer. Anschließend seien sie in Israel 100 Stunden festgehalten worden, obwohl nach israelischem Recht eine Festhaltung nur für maximal 72 Stunden erlaubt sei. In Israel seien die Aktivisten als Terroristen bezeichnet und „auch als solche behandelt worden“, berichtete Schütter weiters.

Stundenlang seien die Aktivisten in Stresspositionen gezwungen und in überfüllten Gefängnissen untergebracht gewesen. Zudem seien Telefonanrufe und Medikamente verweigert worden, so hätten auch Diabetiker kein Insulin bekommen. Erst nach einem kollektiven Hungerstreik der männlichen Aktivisten seien die akutesten medizinischen Fällen behandelt worden, so Schütter.

Die Aktivistin Sophie Hehle berichtete, dass einige Schiffe von der israelischen Marine mit Wasserwerfern attackiert worden seien. Gegen 4.30 Uhr seien voll bewaffnete israelische Soldaten auf ihr Boot gekommen. Die Insassen seien ins Bootinnere verfrachtet worden, wo es sehr heiß war. Anschließend seien sie in den israelischen Hafen Ashdod gebracht worden. „Beim Abschleppen war unsere Sicherheit in keinster Weise gegeben, wir hatten die ganze Zeit Angst, dass unser Boot sinkt“, sagt Hehle. Arabisch aussehende Menschen seien aussortiert worden. Ihr selbst sei ein Lippenpiercing einfach rausgeschnitten worden, so Hehle. Erst durch den Kontakt mit dem Botschafter hätten sie selbst erfahren, wo sie überhaupt seien. Über den Verbleib der mitgeführten Hilfsgüter konnten die Aktivisten auf Nachfrage keine Auskunft geben.

Scharfe Kritik an der österreichischen Regierung

1958 habe Österreich die UN-Völkermordkonvention unterzeichnet, sagte Laila Fuisz vom Global Movement to Gaza. Sie forderte die Bundesregierung auf, alles zu tun, um Völkermord in Gaza zu verhindern. Damit habe sich Österreich verpflichtet, einzuschreiten, wenn es auch nur Anzeichen dafür gebe, dass ein Völkermord begangen werde. Seit zwei Jahren massakriere die israelische Regierung und Armee massenhaft Menschen in Gaza, so Fuisz. Die „rechtsextreme Regierung“ von Premier Benjamin Netanyahu lege weder Recht auf das Völkerrecht, noch auf Menschenleben.

Auf Nachfrage der APA konstatierte Fuisz, dass das Vorgehen der Hamas am 7. Oktober 2023 falsch gewesen sei. „Dass die Hamas vor zwei Jahren Zivilisten verschleppt und getötet hat, ist jedenfalls falsch, weil es immer falsch ist, Zivilisten zu attackieren“, so Fuisz. Der Aktivist Rafael Eisler sagte, ihm sei unbegreiflich, wie ein Land wie Österreich, das selber an einem Völkermord beteiligt war, sich so verhalte.

Aus dem Außenministerium hieß es am Dienstagnachmittag gegenüber der APA, dass man in allen öffentlichen Stellungnahmen betreffend die österreichischen Teilnehmenden an der Gaza Flottille darauf hingewiesen habe, dass man „die israelische Seite mehrmals aufgefordert hat, im Einklang mit seinen völkerrechtlichen Verpflichtungen zu handeln: mit größtmöglicher Zurückhaltung, unter Beachtung von Verhältnismäßigkeit und Vorsichtsgrundsatz sowie unter voller Achtung der Sicherheit und Menschenrechte der teilnehmenden Österreicherinnen und Österreicher“. Zudem sei das Außenministerium durchgehend in engem Kontakt mit den israelischen Behörden gewesen, um die Österreicher auf der Gaza-Flottille bestmöglich konsularisch zu unterstützen.