Schweden übernimmt mit 1. Jänner zum dritten Mal die EU-Ratspräsidentschaft – angesichts der Zusammensetzung der neuen Regierung in Stockholm aber unter besonderen Vorzeichen: Erstmals sitzen darin die rechtspopulistischen Schwedendemokraten, die einst in der Neonazi-Szene gegründet worden sind. Dabei hat die "Moderaterna" des konservativen Ministerpräsidenten Ulf Kristersson mit 19,1 Prozent weniger Stimmen als Rechtsaußen. Die Schwedendemokraten (SD) erhielten 20,53 Prozent. Die mit Kristersson regierenden Mitteparteien liegen jeweils bei nur bei rund 5 Prozent. Dementsprechend dürften die islamophoben SD nicht nur die Innenpolitik, sondern auch die Gestaltung der EU-Ratspräsidentschaft mitgestalten.


In Schweden sind Gewaltverbrechen in den letzten beiden Jahrzehnten stark zurückgegangen. Dennoch fühlen sich viele Bürger verunsicherter den je. In den Medien wird immer wieder auf prominenten Platz von Banden-Schießereien berichtet und vom Ende von "Bullerbü", also dem Ende der Idylle geschrieben. Dabei ist das Land insgesamt sicherer denn je – laut Statistik. Oft finden die Schießereien im islamischen Migrationsmilieu statt. Tatsächlich gibt es in diesem Bereich einen klaren Anstieg, von dem vor allem die SD mit Forderungen nach hartem Durchgreifen und mehr Polizisten punkten konnte.

Hart umkämpfter Drogenmarkt

Der Grund für die vielen Schießereien, oft mit sehr jungen Bandenmitgliedern als Tätern, ist der hart umkämpfte Drogenmarkt: Anders als in anderen europäischen Ländern ist dieser nicht durch kriminelle Banden fest aufgeteilt. Während der EU-Präsidentschaft will Schweden denn auch die Zusammenarbeit der Polizeibehörden aller Länder weiter vertiefen. Zu den Kernpunkten gehört unter anderem das Vorantreiben der Digitalisierung. Schweden ist hier trotz seiner nur gut zehn Millionen Einwohnern auf einer riesigen Fläche von knapp 450.000 Quadratkilometern Vorreiter. Es gibt im Grunde kein einziges Dorf im vor allem durch Wälder dominierten Norden ohne schnelle Internetverbindungen. Die EU ist auch Schwedens wichtigster Handelspartner, mit Deutschland an der Spitze. Dementsprechend will Stockholm eine deutliche Vertiefung des EU-Binnenmarktes vorantreiben. Nicht nur zufällig will das Greta-Thunberg-Land auch die grüne Wende Europas flankieren. Zudem warnte der Industrieverband, dass Europa im Vergleich zu den USA und China immer mehr an Konkurrenzfähigkeit verliere. Diese soll unter anderem durch die aktive Förderung von Forschung und Entwicklung gestärkt werden.


Auch der Ukrainekrieg wird Schweden beschäftigen: "Für den Ratsvorsitz wird es eine Priorität sein, die europäische Einheit zu wahren und die Ukraine weiter zu unterstützen, also wirtschaftlich, militärisch, humanitär und auch politisch, um diese schwierige Zeit zu bewältigen", sagte EU-Ministerin Jessika Roswall. Sanktionen gegen Russland sollen fortbestehen und ausgebaut werden, parallel Friedensverhandlungen zwischen Kiew und Moskau angestrebt werden. Wie wichtig die Unterstützung der Ukraine ist, unterstrich die Ministerin, als sie betonte: "Die Ukraine kämpft nicht nur für ihre Freiheit, sondern auch für unsere."
Schweden und sein Nachbarland Finnland rechnen trotz des Widerstandes der Türkei mit einem baldigen Nato-Beitritt. Ein historischer Schritt für beide traditionell neutralen Länder.

Die Ziele


In einer Rede vor dem schwedischen Reichstag skizzierte Ministerpräsident Kristersson seine Ziele für die EU-Präsidentschaft: "Jede Zeit hat ihr Freiheitsproblem. Und Sicherheit ist zum großen schwedischen Freiheitsthema unserer Zeit geworden. Bandenkriminelle schränken die Freiheit ehrlicher Bürger in vielen Vierteln ein. Drohungen und Erpressungen betreffen viele kleine Unternehmen in sozial schwachen Gebieten. Aus diesem Grund haben ich und die neue Regierung die Sicherheit zu einer entscheidenden politischen Priorität gemacht. In Europa ist die Sicherheit zur großen Freiheitsfrage unserer Zeit geworden. Die Bedrohung geht von einem kriminellen Regime aus: Russlands illegale und unprovozierte Invasion eines friedlichen Nachbarn hat die Freiheit von Millionen Ukrainern gestohlen. Sie hat Europa in das dunkelste Kapitel der Geschichte zurückgestürzt."


Kristersson arbeitete in seiner Zeit in der Opposition daran, die Rechtspopulisten salonfähig zu machen – die aktuelle Opposition hegt eben daran große Zweifel: Die Schwedendemokraten leugnen teils den Klimawandel. So erklärte ihr Vorsitzender Jimmie Åkesson erst im November, dass es gar keine wissenschaftlichen Beweise für eine Klimakrise gebe.