Die deutsche Familienministerin Anne Spiegel (Grüne) hat um Entschuldigung dafür gebeten, dass sie kurz nach der Flutkatastrophe im Ahrtal 2021 als damalige rheinland-pfälzische Umweltministerin in einen vierwöchigen Frankreich-Urlaub geflogen war. Die in die Kritik geratene Grünen-Politikerin gab am Sonntagabend als Grund für die Urlaubsentscheidung persönliche Gründe und eine sehr hohe Belastung ihrer Familie mit vier Kindern und ihrem Mann durch die Corona-Pandemie an. Sie sei aber auch im Urlaub in Kontakt mit ihrem Ministerium gewesen. Spiegel war in ihrem früheren Amt auch für Katastrophenwarnungen zuständig gewesen. Sie hatte sich vor einem Untersuchungsausschuss im rheinland-pfälzischen Landtag verantworten müssen.

Die Familienministerin im Kabinett Scholz genießt aber weiter das Vertrauen des SPD-Kanzlers. "Er arbeitet eng und vertrauensvoll mit ihr zusammen", sagte die stellvertretende Regierungssprecherin Christiane Hoffmann am Montag in Berlin. Scholz habe das Statement der Grünen-Politikerin am Sonntagabend gesehen. Der Auftritt habe ihn bewegt und betroffen gemacht. Er sei persönlich sehr beeindruckt von dem Auftritt gewesen.

CDU-Chef Friedrich Merz forderte die Entlassung von Spiegel und reagierte damit auf den vierwöchigen Sommerurlaub, den Spiegel als rheinland-pfälzische Umweltministerin im Sommer 2021 nach der Flutkatastrophe im Ahrtal angetreten hatte. "Es beweist sich erneut: Für Frau Spiegel waren Urlaub und das eigene Image wichtiger als das Schicksal der Menschen an der Ahr. Der Bundeskanzler muss sie entlassen", sagte Merz am Sonntag der "Bild-Zeitung". CDU-Generalsekretär Mario Czaja nannte das Verhalten Spiegels laut "Bild" "unwürdig". "Frau Spiegel erweist sich immer mehr als Fehlbesetzung für das Ressort, das ihr anvertraut wurde. Es scheint unerheblich, ob sie im Urlaub ist oder nicht. Aktiv wird sie nie."

Jahrhundertkatastrophe im Sommer 2021

Bei der Flutkatastrophe Mitte Juli 2021 sind in Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen mehr als 180 Menschen ums Leben gekommen, darunter 134 im Ahrtal. Rund 750 Menschen wurden verletzt und große Teile der Infrastruktur sowie Tausende Häuser zerstört. Viele Menschen leben noch immer in Not- oder Ausweichquartieren. Spiegel habe ihren Urlaub einmal unterbrochen, um sich vor Ort ein Bild der Lage zu machen, berichtete der stellvertretende Regierungssprecher Kusche. Sie sei zudem ständig erreichbar und per Video bei den Kabinettssitzungen dabei gewesen. Die 41-Jährige, die wegen ihrer vier Kinder auf die Sommerferien angewiesen sei, sei erst gefahren, nachdem ein Krisenstab im Ministerium für die Trinkwasser- und Abwasserversorgung sowie die Müllentsorgung eingerichtet worden sei.

Spiegel war bereits in die Kritik geraten, weil sie sich in einem Kurznachrichten-Wechsel mit ihren Mitarbeitern direkt nach der Hochwassernacht um ihr politisches Image gesorgt hatte. Dazu hatte die Grünen-Politikerin im Untersuchungsausschuss des Landtags in Mainz gesagt, die Hilfe für die Betroffenen im Ahrtal sei für sie von höchster Bedeutung gewesen. "Es ist absolut falsch und ich weise entschieden zurück, dass ich irgendwann eine andere Priorität hatte." Spiegel habe in der mehrstündigen Vernehmung am 11. März auch anders als Heinen-Esser in dem Gremium in NRW "jede Frage vollständig beantwortet", sagte Kusche.

Spiegel hatte die Leitung des Umweltministeriums in Rheinland-Pfalz im Jänner 2021 nach dem Rücktritt ihrer Parteifreundin Ulrike Höfken zusätzlich zum Familien-, Integrations- und Verbraucherschutzministerium übernommen. Nach der gewonnenen Landtagswahl im März übernahm die Spitzenkandidatin der Grünen das neu zugeschnittene Klimaschutzministerium in Mainz – rund zwei Monate vor der Flutkatastrophe. Bis zu ihrem Wechsel nach Berlin war die 41-Jährige auch stellvertretende Ministerpräsidentin in der zweiten Ampel-Regierung von Malu Dreyer (SPD).