Gegen den inhaftierten Kreml-Kritiker Alexej Nawalny hat heute ein neuer Strafprozess begonnen. Das Verfahren begann in der Strafkolonie in Pokrow, in der Nawalny seit rund einem Jahr inhaftiert ist. Gegen den prominentesten russischen Oppositionspolitiker werden weitere Betrugsvorwürfe erhoben. Ihm drohen bis zu zehn zusätzliche Jahre Haft. Nawalny warf der russischen Justiz zum Auftakt des Prozesses eine willkürliche Inszenierung von Strafverfahren vor.

"Meine Prozesse sind ziemlich seltsam, was den Ablauf und die Urteile angeht, aber hier haben sie jede Grenze überschritten", sagte er in dem improvisierten Gerichtssaal im Straflager. Dort traf er auch seine Frau Julia Nawalnaja wieder, das Paar umarmte sich und konnte die Pausen für sich nutzen. Nawalny erschien in einer Häftlingsuniform und kurz geschorenem Haar. Begleitet wurde er von seinen Anwälten sowie mehreren Wachleuten.

Das Gericht lehnte es ab, den Prozess in die rund 100 Kilometer weit entfernte russische Hauptstadt Moskau zu verlegen. Die Auftraggeber des Verfahrens hätten Angst, dass dann jeder sehen könne, dass die Anklage erfunden sei, meinte Nawalny. Mehrere Journalisten fanden sich allerdings in dem Straflager in Pokrow im Gebiet Wladimir ein, wie etwa das Portal Mediazona berichtete.

Farce

Auch die Menschenrechtsorganisation Amnesty International verurteilte den Prozess als Farce. Es handle sich um ein "vorgetäuschtes Verfahren, an dem statt Medien Gefängniswärter teilnehmen".

Auf Nawalny war im August 2020 in Russland ein Anschlag mit einem Nervengift aus sowjetischer Produktion verübt worden, den er nur knapp überlebte. Nach mehrmonatiger medizinischer Behandlung in Deutschland kehrte Nawalny im Jänner vergangenen Jahres nach Russland zurück, wo er umgehend festgenommen und kurze Zeit später zu zweieinhalb Jahren Haft verurteilt wurde. Er sitzt in einem Straflager rund hundert Kilometer östlich von Moskau.

Nawalny macht den russischen Präsidenten Wladimir Putin für seine Vergiftung verantwortlich. Der Kreml weist die Vorwürfe zurück.

Seit Nawalnys Inhaftierung gehen die russischen Behörden massiv gegen dessen Unterstützer vor. Seine Regionalorganisation sowie seine Anti-Korruptionsstiftung wurden verboten. Nawalny selbst wurde im Jänner auf eine offizielle Liste von "Terroristen und Extremisten" gesetzt.