Kurz vor dem Besuch des deutschen Bundeskanzlers Olaf Scholz in der Ukraine hat der Bürgermeister der ukrainischen Hauptstadt Kiew, Vitali Klitschko, an die internationale Gemeinschaft appelliert, sich an die Seite seines Landes zu stellen. "Wir sind in der Ukraine auf das Schlimmste vorbereitet, die Welt muss uns jetzt beistehen", sagte Klitschko der Zeitung "Bild am Sonntag".

"Wir sind nur der Anfang"

Der russische Präsident Wladimir Putin strebe nach der Weltmacht, "und der Westen sollte wissen, dass nach der Ukraine die baltischen Staaten dran sein werden. Wir sind nur der Anfang." Wenn Scholz und andere Staatschefs mit Putin sprächen, sollten sie ihm eines klarmachen: "Unser ganzes Land wird sich gegen einen Angriff wehren, und es wird schwere Konsequenzen haben."

Scholz will den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj am Montag in Kiew treffen. Am Dienstag reist er nach Moskau zum russischen Präsidenten Wladimir Putin.

Der als Präsidentschaftskandidat für 2024 gehandelte Kiewer Bürgermeister und Ex-Boxweltmeister Vitali Klitschko hatte Anfang Februar in einer Talkshow versichert: "Wenn eine militärische Aggression beginnt, dann werde ich ein Sturmgewehr nehmen und für die Ukraine kämpfen gehen."

Telefonate mit Putin ohne Durchbruch

In der Ukraine-Krise hat auch eine neue Runde diplomatischer Gespräche auf höchster Ebene keinen Durchbruch gebracht. US-Präsident Joe Biden und Frankreichs Staatschef Emmanuel Macron telefonierten am Samstag nacheinander mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin und versuchten erneut, eine Eskalation abzuwenden. Biden warnte Putin eindringlich vor einer Invasion und drohte einmal mehr mit schwerwiegenden Konsequenzen. Putin wiederum kritisierte die Haltung des Westens.

Der Kreml beklagte, die Bemühungen um eine Lösung der Krise befänden sich in einer "Sackgasse". Die USA und Europa wappnen sich weiter für eine mögliche militärische Eskalation.

Angesichts des Aufmarschs Zehntausender russischer Soldaten an der Grenze zur Ukraine wird befürchtet, dass der Kreml einen Einmarsch in das Nachbarland plant. Moskau bestreitet das seit Wochen vehement. Für möglich gehalten wird auch, dass der Kreml eine Drohkulisse aufbauen will, um eigene Sicherheitsforderungen durchzusetzen. Moskau verlangt etwa ein Ende der NATO-Osterweiterung und einen Verzicht auf eine mögliche Aufnahme der Ukraine in das westliche Militärbündnis.

Warnung vor Einmarsch am 20. Februar

Die US-Regierung warnt seit Wochen mit zunehmender Dramatik vor einer möglichen russischen Invasion der Ukraine. Bidens Nationaler Sicherheitsberater Jake Sullivan hatte am Freitag erklärt, dass die USA einen russischen Einmarsch noch vor dem Ende der Olympischen Winterspiele in China am 20. Februar für möglich hielten - also schon in der kommenden Woche. Die "New York Times" schrieb, die USA hätten Geheimdienstinformationen, wonach Russland den kommenden Mittwoch (16. Februar) als Zieldatum für eine Militäraktion diskutiere. Es könne aber auch sein, dass dieses Datum Teil einer Desinformationskampagne Russlands sei.

Moskau wies die Warnungen der US-Amerikaner auf allen Kanälen zurück. Putin selbst habe im Telefonat mit Macron von "provokativen Spekulationen" gesprochen, teilte der Kreml mit. Außenminister Sergej Lawrow warf den USA eine "Propaganda-Kampagne" mit "provokativen Zielen" vor. Der russische Botschafter in Washington, Anatoli Antonow, beklagte "Alarmismus" ohne Beweise.

Selbst der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj zeigte sich angesichts der alarmierenden Äußerungen aus Washington irritiert. "Falls Sie oder jemand anderes zusätzliche Informationen über einen 100-prozentigen Einmarsch am 16. (Februar) haben, dann geben Sie uns bitte diese Information", sagte er. Kiew sei sich bewusst, dass es Risiken gebe. Dennoch gebe es im öffentlichen Raum zu viele Berichte über einen großen Krieg Russlands gegen die Ukraine. "Der beste Freund für die Feinde ist Panik in unserem Land", sagte Selenskyj.