Mit einem Gesprächsangebot an Russland und dem erneuten Appell zur Deeskalation an der ukrainischen Grenze wollen Deutschland, Frankreich und Polen den Konflikt mit Moskau entschärfen. Zugleich machten Kanzler Olaf Scholz und die Präsidenten Emmanuel Macron und Andrej Duda nach einem Treffen Dienstagabend im Berliner Kanzleramt klar, dass "jede weitere militärische Aggression Russlands gegen die Ukraine massive Konsequenzen nach sich ziehen und einen hohen Preis haben wird".

Die drei Staaten erklärten ihre Bereitschaft, "sich konstruktiv in substanzielle und ergebnisorientierte Gespräche über Sicherheitsfragen von beiderseitigem Interesse einzubringen". Scholz nannte den russischen Truppenaufmarsch an der Grenze zur Ukraine "sehr besorgniserregend". Ähnlich wie Macron betonte er: "Unser gemeinsames Ziel ist es, einen Krieg in Europa zu verhindern." Russland müsse sich gleichwohl im Klaren darüber sein, dass ein Einmarsch in die ehemalige Sowjetrepublik "politisch, wirtschaftlich und sicher auch geostrategisch" folgenreich wäre. Duda sprach von der "schwierigsten Situation, in der sich Nato und EU seit 1989 befinden", dem Jahr des Mauerfalls. Mit Blick auf den russischen Truppenaufmarsch sagte er: "Wir fragen uns alle, was danach passiert. Welchen Effekt wird diese Verschiebung von Truppen haben, die die Welt und Europa seit dem Zweiten Weltkrieg nicht gesehen hat?"

Gemeinsame Erklärung

In ihrer gemeinsamen Erklärung riefen die drei Vertreter des sogenannten Weimarer Dreiecks Russland dazu auf, "in einen substanziellen Dialog über die Sicherheit auf dem europäischen Kontinent einzutreten". Während die Ballung russischer Truppen nahe der ukrainischen Grenze "große Sorge" bereite, zeige die Ukraine "fortgesetzte Zurückhaltung" und verfolge einen diplomatischen Ansatz. Im Bemühen um eine diplomatische Lösung der Krise werde man weiter für "Sicherheit und Stabilität in der Region und die territoriale Integrität und Souveränität der Ukraine" eintreten.

Diverse Zweier-Gespräche

Scholz hatte sich am Montag in Washington mit US-Präsident Joe Biden beraten, Macron war nach Vermittlungsgesprächen in Moskau und Kiew nach Berlin gereist. Das Treffen mit Duda diente nun der Abstimmung innerhalb der Europäischen Union. Nach ihren Beratungen betonten die drei Staats- und Regierungschefs zudem die Bedeutung der Nato. Die Militärallianz müsse "ihre Verteidigungs- und Abschreckungsstrategie fortlaufend überprüfen" und diese, falls nötig, "an eine weitere Verschlechterung der Sicherheitslage anpassen".

Während Russland eine Erweiterung der Nato und die Aufnahme der Ukraine verhindern will, gibt es im Westen angesichts des Aufmarschs Zehntausender russischer Soldaten im Grenzgebiet zur Ukraine große Sorgen vor einer Invasion des militärisch überlegenen Nachbarn. Der Kreml bestreitet jegliche solche Pläne und teilte zuletzt mit, eine Deeskalation sei angesichts der Spannungen "sehr notwendig". Für möglich wird auch gehalten, dass die russische Seite mit ihrem Vorgehen Ängste schüren will, um die Nato zu Zugeständnissen bei Forderungen nach Sicherheitsgarantien zu bewegen.

Vorwürfe an Deutschland

Berlin wiederum sieht sich Vorwürfen von Polens Regierung und anderen Kritikern ausgesetzt, Moskau nicht genügend unter Druck zu setzen. Vor allem die Absage an Waffenlieferungen in die Ukraine kommt nicht gut an im deutschen Nachbarland, das auch an Russland grenzt. Gleiches gilt für das Festhalten an der Ostsee-Pipeline Nord Stream 2, die künftig unter Umgehung der Ukraine Erdgas von Russland nach Deutschland liefern soll.

Sanktionsoptionen

Scholz beharrt zwar darauf, dass für den Fall eines Einmarschs alle Sanktionsoptionen auf dem Tisch lägen. Nord Stream 2 nennt er dabei aber nicht beim Namen. Auch bei seinem Antrittsbesuch in Washington verzichtete er darauf, während US-Präsident Joe Biden mit markigen Worten deutlich machte, dass ein russischer Einmarsch das Aus für Nord Stream 2 bedeuten würde. Scholz versprach lediglich: "Wir werden bei den Sanktionen komplett einvernehmlich agieren."

Für Donnerstag kündigte Macron ein weiteres Gespräch mit Vertretern Russlands und der Ukraine auf Beraterebene an, das in Berlin stattfinden soll. Frankreich und Deutschland vermitteln seit Jahren im Rahmen des sogenannten Normandie-Formats in dem Konflikt. Den letzten Gipfel auf höchster Ebene mit Russland und der Ukraine gab es 2019 in Paris.