Nach den mit russischer Hilfe niedergeschlagenen Unruhen hat Kasachstan Sozialreformen angekündigt. Der Nährboden für die Proteste sei durch das Versagen des Staates gelegt worden, der nicht gegen Armut und ungleiche Einkommen vorgegangen sei, sagte Präsident Kassym-Schomart Tokajew am Dienstag im Parlament. Deshalb solle unter anderem das Wohlstandsgefälle verringert werden. Zudem kündigte er den Abzug der Truppen des von Russland geführten Militärbündnisses OVKS an.

Neben friedlichen Demonstrationen kam es auch zu gewaltsamen Ausschreitungen
Neben friedlichen Demonstrationen kam es auch zu gewaltsamen Ausschreitungen © (c) AP (Vladimir Tretyakov)

Das Land in Zentralasien war vergangene Woche von den schwersten Unruhen seit der Ablösung von der Sowjetunion vor rund 30 Jahren erschüttert worden. Dabei starben nach Angaben der Regierung 164 Menschen, knapp 10.000 wurden festgenommen. Entzündet hatten sich die teils gewaltsamen Proteste an einer Preiserhöhung für Autogas. Viele Kasachen werfen den Behörden und der Elite zudem Bereicherung vor.

Nach der Eskalation der Proteste hatte Tokajew das von Russland angeführte Bündnis OVKS (Organisation des Vertrages für kollektive Sicherheit) um Hilfe gebeten und den Soldaten für den Fall weiterer Unruhen einen Schießbefehl erteilt. Am Wochenende ebbten die Proteste ab, inzwischen hat sich die Lage offiziellen Angaben zufolge beruhigt. Tokajew hat nach Einschätzung von Beobachtern die Entwicklung genutzt, um mehr Macht im Land an sich zu ziehen.

Der Präsident deutete am Dienstag an, er wolle das Umfeld seines Vorgängers Nursultan Naserbajew auffordern, durch Spenden in eine neue wohltätige Stiftung ihren Wohlstand zu teilen. Durch Naserbajew sei in Kasachstan „eine Gruppe sehr profitabler Unternehmen sowie eine Gruppe von Menschen entstanden, die selbst im internationalen Vergleich wohlhabend sind“, sagte Tokajew. „Ich denke, es ist an der Zeit, dass sie den Menschen in Kasachstan etwas zurückgeben und ihnen systematisch und regelmäßig helfen.“ Naserbajew hatte das Land fast drei Jahrzehnte bis 2019 regiert. Auch nach seinem Rücktritt übte er weitreichende Macht aus.

Russlands Soldaten sollen Land binnen zwei Wochen verlassen

Keine neuen Angaben machte Tokajew am Dienstag zu seinen vorherigen Aussagen, dass durch das Eingreifen der Soldaten der Militärallianz OVKS ein von außen gelenkter Umsturzversuch abgewehrt worden sei. Einige Beobachter hatten erklärt, die Eskalation der Proteste könne auch auf Machtkämpfe innerhalb der kasachischen Elite zurückzuführen sein. Die OVKS-Soldaten waren zunächst in der Hauptstadt Nur-Sultan eingesetzt worden. Das hatte Spekulationen geschürt, ihr Auftrag sei der Schutz der Regierung und Tokajews, der seinen eigenen Sicherheitskräften nicht mehr habe voll vertrauen können.

Laut Tokajew hatte das von Russland angeführte Bündnis, dem auch Belarus, Armenien, Kirgisistan und Tadschikistan angehören, 2030 Soldaten und militärisches Gerät zu Hilfe geschickt. Diese sollen nun binnen knapp zwei Wochen das Land wieder verlassen haben. Auch Russlands Präsident Wladimir Putin hatte davon gesprochen, dass es den Versuch „von außen“ gegeben habe, in die Belange Kasachstans einzugreifen. Er hatte aber auch erklärt, man werde nicht zulassen, dass es in Kasachstan zu einer „Farbenrevolution“ komme. Damit nahm er offenbar Bezug zu Aufständen in anderen Ex-Sowjetrepubliken, etwa der „Orangenen Revolution“ 2013/14 in der Ukraine.

Neuer Ministerpräsident

Zum neuen Ministerpräsidenten wählte das kasachische Parlament am Dienstag Alichan Smailow, der kurz zuvor von Tokajew nominiert worden war. Smailow war erster Vize-Ministerpräsident des bisherigen Kabinetts, das Tokajew in der vergangenen Woche angesichts der Unruhen entlassen hatte. Die kasachische Zentralbank wurde von Tokajew angewiesen, für Stabilität am Währungsmarkt zu sorgen, um das Vertrauen in die kasachische Währung Tenge zu sichern.

Indes bekundete der ungarische rechtsnationale Premier Viktor Orbán seine Solidarität mit Präsident Tokajew. In einem Telefongespräch mit Tokajew vom Montag habe der Premier die Hilfe Ungarns angeboten, seine Solidarität bekundet und sein Beileid mit den vielen Todesopfern zum Ausdruck gebracht, so der ungarische Außenminister Péter Szijjártó. Zuvor hatte sich bereits China bei der Niederschlagung der Unruhen an die Seite Kasachstans und Russlands gestellt.