Haitis Präsident Jovenel Moïse ist tot. Das berichten mehrere haitianische Medien unter Berufung auf den Ministerpräsidenten Claude Joseph. Eine Gruppe von Unbekannten soll in der Nacht zu Mittwoch in die Residenz des Präsidenten eingedrungen sein und habe den Staatschef tödlich verletzt. Auch seine Frau soll von Schüssen getroffen worden sein und befindet sich nach Angaben haitianischer Medien schwerverletzt im Krankenhaus. Einige Angreifer sollen laut Angaben von Ministerpräsident Joseph auf Spanisch gesprochen haben.

Joseph rief zur Ruhe im Land auf und verurteilte den Anschlag als einen „hässlichen, unmenschlichen und barbarischen Akt“.  Er erklärte, er habe nun die Verantwortung für die Führung des Landes.

Die Situation in dem Land ist seit vielen Jahren angespannt. 2010 erschütterte ein Erdbeben die Westhälfte der Karibikinsel Hispaniola. Mehr als 200.000 Menschen kamen ums Leben, mindestens 300.000 wurden verletzt. Das gesamte öffentliche Leben brach damals zusammen; 1,3 Millionen Haitianer wurden obdachlos. Haiti ist das ärmste Land auf dem amerikanischen Kontinent. Insbesondere Entführungen und Lösegeldforderungen krimineller Banden sorgen in dem Karibikstaat für große Verunsicherung in der Bevölkerung.

Kein funktionierender Staat

Beobachter sagen, dass es in Haiti seit Jahren keinen funktionierenden Staat mehr geben würde. An dessen Stelle seien Gang- und Clan-Strukturen getreten, die eng mit den führenden Politikern verknüpft sein sollen, auch mit dem Präsidenten Jovenel Moïse, der nun getötet wurde. Kritiker werfen ihm Korruption und Verbindungen zu gewalttätigen Banden vor.

Moïse hatte erst gestern einen neuen Regierungschef ernannt. Dieser sollte eine Regierung bilden, die Gewalt im Land beenden und den reibungslosen Ablauf der bevorstehenden Wahlen sicherstellen. Am 26. September sind in dem Karibikstaat Präsidenten- und Parlamentswahlen sowie ein Verfassungsreferendum geplant. Moïse hatte den Regierungschef des Landes innerhalb von vier Jahren siebenmal ausgewechselt. 

Das Parlament sollte ursprünglich 2019 gewählt werden. Die Abstimmung fiel aber wegen heftiger Proteste gegen Moïse aus. Seit Beginn der neuen Legislaturperiode im Jänner 2020 gibt es kein Parlament mehr. Moïse regierte Haiti seither per Dekret.