Sehnsucht nach Normalität in New York
Die New Yorker U-Bahn ist mittlerweile etwas ungemütlich geworden. Kaum eine Fahrt von Brooklyn nach Midtown, in mein Büro nahe der Grand Central Station, ohne dass man nicht verbal oder physisch belästigt wird. Oft sind es Obdachlose mit offensichtlichen psychiatrischen Störungen. Menschen die sonst keinen Platz in der Gesellschaft haben finden ihn auch in dieser anhaltenden Pandemie nur schwer. Die Kälte drängt sie in den sprichwörtlichen Untergrund. Dennoch, jeder in der U-Bahn trägt nach wie vor eine Maske. Die vielen Toten im März haben ihre Spuren hinterlassen. New York zu Weihnachten. Die ganze Stadt ist in ein Lichtermeer getaucht. Die 5th Avenue ist wie jedes Jahr festlich geschmückt; der Weihnachtsbaum am Rockefeller Center gut besucht, selbst  (sozial distanziertes) Eislaufen ist erlaubt. In fast jeder Wohnung in Brooklyn sieht man auch die Lichterketten der Weihnachtsbäume, die hier traditionell bereits nach Thanksgiving aufgestellt werden.

Ein Haus in Brooklyn
Ein Haus in Brooklyn © AFP

Viele Restaurants und Bars in New York sind in den Winterschlaf bis ins Frühjahr gegangen, so auch mein Lieblingslokal, "Employees Only" im West Village. Ein Schneesturm Mitte des Monats hat gezeigt, dass “Outdoor Dining” im Winter nur schwer realisierbar sein wird. Die Hoffnung auf eine Entspannung durch den Impfstoff zieht sich durch alle Bevölkerungsschichten. Gleichzeitig die Hoffnung auf ein neues finanzielles Hilfspaket für alle Bürger aus Washington. Und dann ist da noch die Hoffnung, dass mit der Amtseinfürhung eines neues Präsidenten am 20. Jänner 2021, eine kompetentere politische Führung die Geschicke der USA leiten wird und auch im politischen Alltag langsam wieder Normalität einkehren wird. Franz-Stefan Gady aus New York

Schnappschuss in Madrid
Schnappschuss in Madrid © AP

Mit Maske vor dem Christbaum
Noch nie waren die spanischen Städte in der Weihnachtszeit so reich geschmückt wie im Coronajahr 2020. „Jetzt erst recht“, lautet die Parole vieler Stadtregenten. „Dieses Jahr sind es keine Freudenlichter, sondern Lichter der Hoffnung“, sagt Madrids Bürgermeister José Luis Martínez-Almeida. Und zwar der Hoffnung, dass dieser Coronaalbtraum, der allein in Madrid bisher nach offizieller Zählung nahezu 12.000 Todesopfer verursachte, bald zu Ende ist.

Doch die Hoffnung auf Entspannung muss wohl noch ein bisschen aufgeschoben werden. Madrid, seit Beginn der Pandemie einer der schlimmsten Brennpunkte des Landes, muss sich auf unruhige Weihnachtstage einstellen. Nach Wochen sinkender Infektionszahlen, die Anlass zur Zuversicht gaben, steigen nun die Ansteckungen wieder – und zwar steil. Die Epidemiologen warnen bereits vor der dritten Coronawelle, welche über die Festtage im Anzug sei. Die 14-Tage-Inzidenz kletterte kurz vor Weihnachten auf über 300 Fälle pro 100.000 Einwohnern – damit ist Madrid wieder Hochrisikozone.

Spaniens Gesundheitsexperten empfehlen deswegen, statt der üblichen ausgelassenen Heiligabendfiesta mit der Großfamilie dieses Jahr eine möglichst „stille Nacht“ zu begehen. Nur im kleinsten Kreis mit maximal sechs Personen, mit Maske vor dem Christbaum – und ohne zu singen. Auch ein Coronatest könne das Risiko der Familientreffen senken, hieß es, weswegen sich lange Schlangen vor den Testcentern bildeten. Zuvor hatte Spaniens Premier Pedro Sánchez gemahnt: „Das beste Geschenk, das wir machen können, ist Sicherheit.“ Ralph Schulze aus Madrid

Weihnachtsmänner beim Beachvolleyball in Tel Aviv
Weihnachtsmänner beim Beachvolleyball in Tel Aviv © AP

Weihnachten ohne Pilger
Sie treten auf das Fußpedal, dass der Kunstschnee nur so fliegt. Die überdimensionalen Schneekugeln sind ein Spaß für die Kinder. Sie stehen vor dem meterhohen Weihnachtsbaum in der alten Hafenstadt Jaffa, die heute zur Metropole Tel Aviv gehört.

Hier lebt ein Teil der christlichen Minderheit im Heiligen Land, die zwei Prozent der Bevölkerung zählt, weniger als 180.000 Menschen. Während Weihnachten in der westlichen Welt eine Hauptrolle spielt, begehen es hier vor allem Pilger, die zur festlichen Zeit anreisen. Die Mehrheit der Israelis, Juden und Moslems, feiern nicht.

Ein paar Straßen weiter präsentiert ein Souvenirgeschäfte seine Waren: Krippen aus Olivenholz, Kreuze und Rosenkränze – alles, was das Pilgerherz begehrt. Doch keiner kommt. Israels Grenzen sind wegen der Pandemie für Ausländer nach wie vor zu. Im vergangenen Jahr reisten christliche Touristen noch im Massen an, um Jerusalem oder die Geburtsstätte Jesus in Bethlehem zu besuchen.

„Weihnachten im Heiligen Land ist eine unglaubliche Erfahrung für Christen aus aller Welt“, weiß Verkäufer Walid Suan. „Doch in diesem Jahr gibt es keine. Die Geschäfte sind gleich null. Es ist fast so, als findet Weihnachten nicht statt.“

Suan setzt seine Hoffnungen auf die Impfungen gegen Covid-19, die in Israel begonnen haben. „Ich bin mir sicher, dass es im nächsten Jahr besser wird. Ja, sogar viel besser. Nach dieser Katastrophe muss es das einfach.“ Sabine Brandes aus Tel Aviv

Momentaufnahme in Sydney
Momentaufnahme in Sydney © AP

Singen im Vorgarten
Wir hier in Australien hatten das Coronavirus eigentlich bereits besiegt. So dachten wir zumindest. Unser Leben verlief fast wieder normal – mit Strandtagen, Weihnachtsfeiern und Kinderpartys. Doch wenige Tage vor Weihnachten hat sich das Virus dann doch wieder eingeschlichen. Wie genau, das ist bisher noch unbekannt. Inzwischen sind mehrere Stadtteile in Sydney im Lockdown. Auch ich selbst wohne in einem der betroffenen Gebiete und muss zu Hause bleiben. Im Moment dürfen wir nur noch zum Sporteln, Einkaufen oder für medizinische Notfälle raus. Ob Weihnachten und eventuell auch Silvester mit unserem berühmten Feuerwerk abgesagt werden, erfahren wir erst.

Dabei haben wir nach europäischen Verhältnissen nicht viele Fälle. Am Montag waren es 15 Neuinfektionen in Sydney, am Dienstag gerade einmal acht. Doch Australien ist von Anfang an extrem vorsichtig gewesen und hat die Außengrenzen und sogar die Grenzen zwischen den Bundesstaaten geschlossen. Deswegen gilt das Land mit etwa 28.000 Infektionen und insgesamt 908 Todesfällen auch als eine der Erfolgsgeschichten der Pandemie.

Weihnachten werden wir uns aber selbst mit Restriktionen nicht verderben lassen. Denn die Aussies nehmen alles mit stoischer Ruhe hin und halten gut zusammen. In unserem Stadtteil haben sich die Menschen beispielsweise zu einem Weihnachtssingen im Vorgarten verabredet: Am Mittwochabend wollen alle – mit gebührendem Abstand – gemeinsam „Jingle Bells“ und andere weihnachtliche Lieder trällern.
Barbara Barkhausen, Sydney

Gemeinsam durch die Krise
In Weihnachtswünschen dieses Jahr macht ja die Bemerkung die Runde, dass man im kleinen Kreis noch viel besser hört, wer falsch singt. Doch nach Singen ist hier in Asien sowieso nicht vielen zumute, auch wenn sich die meisten Länder mit Erfolg und wacker gegen die Pandemie stemmen. Die Beschallung mit Weihnachtsliedern in Supermärkten scheint dieses Jahr noch ernsthafter, als würde es zum beherzteren Shoppen ermuntern. Alle Wirtschaftszweige leiden, und doch blickt man in Asien verwundert nach Amerika und Europa, dass es dort noch weit schlimmer gekommen ist. Ausgerechnet jetzt aber, zu Weihnachten und Neujahr, droht auch Bangkok wieder ein Lockdown. Trotz harscher Schutzmaßnahmen wurde das Virus von Gastarbeitern über die grüne Grenze eingeschleppt. Neujahrsfeiern wurden bereits untersagt. Doch Thais lassen sich von all den Einschränkungen nicht viel anmerken. Hinter den Masken wird noch mehr gelächelt. Die Menschen unterstützen einander, die Bevölkerung zeigt sich solidarisch und es gibt keine Corona-Abweichler und keine Impfgegner. Menschen haben existenziellere Probleme, als sich mit solchen Verwöhnungssymptomen aufzuhalten. Alle ziehen an einem Strang. Gemeinsam durch die Krise. Damit es nur bald vorbei ist – und auch wieder Gäste aus der ganzen Welt empfangen werden dürfen. Daniel Kestenholz aus Bangkok

Nur noch wenige sind in Mailand unterwegs
Nur noch wenige sind in Mailand unterwegs © AP

Exodus
Ein ungewohntes Bild zeigt sich in Mailand während der Vorweihnachtstage: Trotz  vorverlegter Schlussverkäufe sind die  Einkaufstraßen weigehend leer.  Die Lust zum Weihnachts-Shoppen hält sich in Grenzen. Grund dafür ist auch, dass zigtausend Mailänder bereits am Wochenende die Stadt verlassen haben, um in ihre Zweitwohnungen am Meer oder im Gebirge oder aber zu ihren Verwandten im Süden zu flüchten. Einzig in den Vororten der Stadt tummeln sich Menschenmassen, sind Einkaufszentren überfüllt. Kein Wunder: Ab 24. Dezember bis 6. Jänner kommt es hier zum Quasi Lockdown. Mit wenigen Ausnahmen, wenn Italien von der Rot- in die Orange-Zone wechselt. 

Im Zentrum herrscht eine ungewohnte Ruhe, eine  neue Besinnlichkeit. Keine dröhnende Weihnachtsmusik, sondern ein musikalischer Adventkalender am Domplatz, keine grelle Beleuchtung sondern dezente Lichtspiele auf der  Piazza della Scala. 100 im Zentrum aufgestellte Christbäume zeigen: Mailand gleicht immer mehr einer mittel- und nicht einer südeuropäischen Metropole. Unternehmerin Diana Bracco,  Präsidentin der Stiftung Bracco und Sponsorin der grünen Weihnachtsidylle meint dazu: “Weihnachten 2020 steht hier im Zeichen einer neuen Besinnlichkeit, der Hoffnung“. Thesy Kness –Bastaroli aus Mailand 

"Machen wir das Beste daraus"
Der Blumenhändler an der Avenue Balhaouene hat ein paar Tannenbäume vor dem Laden, drei echte Kiefern und eine nicht so echte Nordmanntanne aus immergrünem Plastik für seine ausländische Kundschaft. Ansonsten läuft Weihnachten in Tunesien eher nebenbei. Festlich geschmückt sind lediglich ein paar große Shopping-Malls. Die ganze Woche ist normaler Alltag, denn in dem nordafrikanischen Land leben praktisch keine einheimischen Christen. Die einzige religiöse Minderheit unter den zwölf Millionen Muslimen sind rund 1500 jüdische Tunesier, von denen die meisten auf der Insel Djerba wohnen. Wer als Christ in Tunesien Weihnachten feiert, stammt aus Europa, aus Italien, Frankreich, Spanien oder Deutschland. Viele Familien jedoch lassen dieses Jahr den Weihnachtsbesuch in der Heimat ausfallen – zu kompliziert und zu riskant. Die kleine deutsche Gemeinde trifft sich am  Heiligen Abend im Tunis-Vorort La Marsa auf dem Gelände eines ehemaligen französischen Klosters. Hier am südlichen Mittelmeer ist der Winter kühl, aber nicht bitterkalt. Fenster und Türen der kleinen Kirche bleiben offen - wer will, kann der Christmette von draußen unter freiem Himmel zuhören. Anschließend gibt es für alle Glühwein und heiße Schokolade auf dem Kirchhof. „Weihnachten einmal anders“, schrieb die Gemeindeschwester in ihrer Einladung. „Machen wir das Beste daraus.“
Martin Gehlen aus Tunis

Straßenmusiker in Mexiko-Stadt
Straßenmusiker in Mexiko-Stadt © AFP

Heiligabend vor roter Corona-Ampel
Weihnachten in Mexiko ist gewöhnlich eine Mischung aus „Santa Claus“ und großer Party. Also die Mexikaner mögen es gerne weihnachtlich im Stil der USA, mit viel Kitsch und Glitzer. Aber dabei soll auch ein bisschen gefeiert werden, Trinken und Tanzen eingeschlossen. Das wird es nun an diesem Heiligabend und den darauffolgenden Tagen nicht geben. Denn Mexiko und vor allem die Hauptstadt Mexico City sind seit dem dritten Adventswochenende wieder im roten Bereich, die Krankenhäuser sind ausgelastet, die Infektionen steigen sprunghaft. Die „Corona-Ampel“, mit der die Regierung die Virusbelastung misst, ist auf „rot“ gestellt. Das heißt: Kein Restaurant, kein Café, keine Bar öffnet für Weihnachtsfeiern. 

Selbst die Wallfahrt vom 12. Dezember zur Guadeloupe-Kirche in Mexiko-Stadt, einer der wichtigsten Events der Volksreligion, wurde dieses Jahr abgesagt. Die Basilika ist geschlossen und ein riesiges Polizeiaufgebot musste Millionen Gläubige daran hindern, auf Rädern, in Bussen oder auf Knien zu dem Wallfahrtsort zu kommen. 

An den Weihnachtstagen sind zudem große Familienzusammenkünfte verboten. Wer dennoch groß Party macht, muss mit einem Bußgeld von bis zu 1000 Euro rechnen. Meine Freunde verzichten daher weitgehend auf Weihnachten in der so geliebten Großfamilie. Die meisten treffen sich virtuell zum Anstoßen mit dem Punsch und feiern dann in der Kernfamilie. Immerhin gibt es die klassischen Truthähne oder Kabeljau zum Essen. Aber nur, wenn man sie dieses Mal Wochen vor dem Fest auch bestellt hat. Klaus Ehringfeld aus Mexiko-Stadt

Paris
Paris © AP

"Fürchtet euch nicht"
Die Franzosen hatten es noch nie so mit Weihnachten. Womöglich ist Paris, die Stadt der Lichter, einfach zu hell, um den tiefen Winter mit Kerzenlicht und Weihnachtsglanz aufhellen zu müssen. Nur die langen Schlangen vor den Boutiquen, den Schokoladenläden und Patisserien sind ein eindeutiges Zeichen, dass Weihnachten naht.

Tatsächlich tut sich die laizistische Republik Frankreich mit christlichen Bräuchen immer schwerer. Der Pfingstmontag ist seit langem kein Feiertag mehr. Im Pariser Marais hängen Leuchtbuchstaben über einer Einkaufsstraße. „Bonnes Fêtes“ wird den Kunden gewünscht, schöne Feiertage, das klingt politisch korrekter als „Frohe Weihnachten“. Und es grenzt niemanden aus.

Es ist nicht nur die weltweite Pandemie, die Weihnachten dieses Jahr überschattet. Der islamistische Terrorismus, den man fast für passé erklärt hätte, ist wieder allgegenwärtig. Die Kirchen werden leer sein am Heiligen Abend. Die sanitären Regeln sehen vor, dass zwischen den Besuchern der Mitternachtsmesse zwei Plätze und immer eine Reihe frei bleiben muss. Insofern können die Gläubigen nicht einmal ein Zeichen setzten. „Fürchtet Euch nicht“, rät Richard Malka, Anwalt von „Charlie Hebdo“, „kämpft für Eure Freiheit“. Da wird es auch 2021 allerhand zu tun geben. Martina Meister, Paris

Belgrad im Dezember 2020
Belgrad im Dezember 2020 © AFP

Stille Tage in Belgrad
Eifrig stechen die Kinder die Sterne aus dem ausgerollten Teig. Zumindest unserer binationalen Familie beschert Corona in Belgrad einen kleinen Festvorteil. Da die im orthodoxen Serbien normalerweise erst zum Jahresende beginnenden Ferien wegen der Pandemie vorgezogen worden sind, kann sich unser Nachwuchs ohne Schule und Hausaufgaben dem „ersten“ Weihnachten widmen: Dessen orthodoxe Wiederholung folgt dann nach dem Jahreswechsel.

Wie gewohnt haben die Stadtväter Belgrad vor den Feiertagen mit Leuchtgirlanden verhängen lassen. Doch sorgten in den letzten Jahren korruptionsanrüchige Neuanschaffungen im kostspieligen Lichterwald für Schlagzeilen, ist dieses Mal nichts, wie es war. Serbiens dritte Corona-Welle scheint überall. Die Pandemie lässt weder geschäftige Weihnachtsroutine noch ausgelassene Vorfestfreude aufkommen.

Fast täglich trudeln Nachrichten von infizierten Bekannten ein. Die Covid-Kliniken sind überfüllt. Trotzdem hat die Regierung die Öffnungszeit der Wirtshäuser und Einkaufstempel auf 20:00 verlängert.  Die traditionell zum Jahresausklang anreisenden Touristen  aus Slowenien werden dennoch zuhause bleiben, viele Belgrader umgekehrt vor Corona in Serbiens überfüllte Berg-Resorts flüchten: Der Stadt stehen ungewohnt stille Feiertage bevor. Thomas Roser aus Belgrad