43 verletzte Polizisten, fünf angezündete Polizeiautos, zerstörte Ausrüstungen und immenser Sachschaden – das ist die Bilanz der Ausschreitungen im Zentrum von Belgrad in der Nacht von auf Mittwoch. Hinzu kommen noch Verletzte auf der Seite der Demonstranten. Die Proteste verliefen zunächst friedlich, doch eine Gruppe serbischer Ultranationalisten drang dann in das Parlamentsgebäude ein und die nächtlichen Unruhen nahmen ihren Lauf.

Der serbische Präsident Aleksandar Vucic verurteilte die "brutale Gewalt" scharf, die in keinem Zusammenhang mit dem Corona-Virus stehe. Doch das ist bestenfalls die halbe Wahrheit. Denn ausgelöst hat die Proteste Vucic selbst, der am Dienstag am Abend eine konfuse Pressekonferenz gab, die im Fernsehen übertragen wurde. Einerseits beklagte er die steigenden Infektionszahlen, und kündigte er eine Ausgangssperre für das kommende Wochenende in Belgrad an. Auch sollten „Menschenansammlungen“ auf fünf Personen beschränkt werden, was sofort die Frage nach dem öffentlichen Verkehr aufwarf.

Andererseits sagte Vucic, die Entscheidung über die neuerlichen Einschränkungen hätten medizinische Experten zu treffen. Schließlich verband er seine, im Stile eines dramatisierten "Sonntagsromans" vorgetragenen Aussagen noch mit der Ankündigung, bei der baldigen Wiederaufnahme des Dialogs mit dem Kosovo unter Vermittlung der EU stünde Serbien vor schweren Entscheidungen.

Jugendlich stark betroffen

Diese Mischung brachte das Fass zum Überlaufen. Tatsache ist, dass die Covidzahlen in der serbischen Hauptstadt stark gestiegen und die Krankenhäuser stark belegt sind. Betroffen sind dieses Mal viele Jugendliche. Die vielen Neuinfektionen hat sich Vucic aber auch selbst zu zuschreiben, da er in letzter Konsequenz alle wichtigen Entscheidungen in Serbien trifft. So wurden alle Corona-Maßnahmen viel zu früh aufgehoben, Partys und Maturafeiern zugelassen, obwohl klar ist, dass das Virus nicht beseitigt ist und Massenansammlungen sein bester Nährboden sind. Eine Reihe widersprüchlicher Ankündigungen durch Regierungsmitglieder taten das Ihre.

Derzeit gilt in Serbien Maskenpflicht in allen geschlossenen Räumen und öffentlichen Verkehrsmitteln. Gestern trat der Präsident wieder an die Öffentlichkeit. Eine Ausgangssperre werde wohl nicht kommen, sagte er. Das Rätselraten in Serbien geht in die nächste Runde, der große Ärger der Bevölkerung ist eine logische Folge.