Der Schaden für das Ansehen des Königshauses sei groß, räumt Spaniens Regierungschef Pedro Sánchez ein. „Die Sache hat in der Öffentlichkeit Bestürzung ausgelöst.“ Millionenschwere Schmiergelder, Geldwäsche über Konten in der Schweiz, Steuerhinterziehung: Die Vorwürfe gegen Juan Carlos I., jahrzehntelanges königliches Staatsoberhaupt des Landes, wiegen schwer. So schwer, dass dieser Tage die Staatsanwaltschaft des Obersten Gerichts in Madrid die Ermittlungen an sich zog, um zu entscheiden, ob gegen den 82-jährigen König im Ruhestand Anklage erhoben wird.

"Bombe"

„Eine Bombe“, schreibt die Onlinezeitung El Diario. Der alte König sei zum größten Problem für den Fortbestand des Königshauses geworden. „Juan Carlos, der Henker der Monarchie“, titelte das Konkurrenzblatt El Independiente. Der neue mutmaßliche Finanzskandal sei wie ein Virus für die spanische Monarchie, warnen die Medien. Die Affäre könne die Zukunft der Krone, auf Spanisch „corona“, ernsthaft gefährden – eine „Corona-Krise“ eigener Art.

König Felipe VI. (52), der 2014 den Thron von seinem Vater übernahm, brach inzwischen öffentlich mit Juan Carlos, um den Schaden zu begrenzen. Und dies mit einer Erklärung, die einer Bestätigung aller Vorwürfe gleichkam: Er habe nichts von den Machenschaften seines Vaters gewusst, sagte Felipe. Er verzichtete angesichts der unklaren Herkunft des väterlichen Vermögens auf jeglichen finanziellen Erbanspruch. Felipe strich Juan Carlos zudem die Apanage – rund 200.000 Euro jährlich, die der Altkönig seit seiner Abdankung in 2014 erhielt.

Tiefpunkt

Doch auch Felipes öffentliche Distanzierung scheint den Ruf nicht zu retten. Medienumfragen zufolge befindet sich das Ansehen des Königshauses, zu besseren Zeiten die populärste Einrichtung Spaniens, heute auf dem Tiefpunkt. Nach einer Erhebung der Zeitung El Español erhielt Felipe von den Bürgern die schlechteste Note seit Amtsantritt. In einer Meinungsstudie des TV-Senders La Sexta über die angesehensten Institutionen des Landes kam das Königshaus auf den letzten Platz. 

Königshausexperten glauben, dass diese durch Juan Carlos ausgelöste Krise noch schlimmere Folgen für das Ansehen des Hofes haben könnte, als die Verurteilung des korrupten königlichen Schwiegersohns Iñaki Urdangarin. Der Ehemann von Prinzessin Cristina, Schwester Felipes, sitzt wegen unsauberer Geschäfte hinter Gittern. Urdangarin war 2017 wegen Korruption und Steuerbetrugs zu sechs Jahren Haft verurteilt worden. Droht nun Juan Carlos ein ähnliches Schicksal?

Urdangarin hatte, den Ermittlungen zufolge, von 2004-2006 seinen Einfluss als Mitglied des Königshauses ausgenutzt, um Aufträge für seine Consulting-Firma zu erhalten und um sich öffentliche Millionengelder zu erschleichen. Die Einnahmen schleuste er über Briefkastenfirmen in Panama und anderen Finanzparadiesen am Fiskus vorbei. Schon damals fiel ein großer Schatten auf Juan Carlos, der Zeugenaussagen zufolge von diesen krummen Geschäften gewusst und sogar dabei mitgemischt haben soll.

Ein Bild aus besseren Tagen: Felipe und sein Vater in inniger Umarmung
Ein Bild aus besseren Tagen: Felipe und sein Vater in inniger Umarmung © APA/EPA/JUAN CARLOS HIDALGO

Amigo-Geschäfte

Doch Juan Carlos blieb zu dieser Zeit von der Justiz unbehelligt. Die fragwürdigen Amigo-Geschäfte des alten Königs waren viele Jahre ein Tabu ein Spanien. Genauso wie seine zahlreichen Geliebten, mit denen er seine Ehefrau, Königin Sofía, betrog. Oder seine umstrittenen Großwildjagden, bei denen er in Afrika oder in Russland auf Elefanten- und Bärenjagd ging.

Dies änderte sich, nachdem eine seiner letzten außerehelichen Eroberungen zu plaudern begann: Die deutsche Geschäftsfrau Corinna zu Sayn-Wittgenstein berichtet 2015 einem hohen spanischen Polizeioffizier, der das vertrauliche Gespräch heimlich aufnahm, dass Juan Carlos in der Schweiz Millionen versteckt habe. Auch dass der König über Strohmänner undurchsichtige Finanzoperationen getätigt habe, die man als Geldwäsche bezeichnen könne. Und dass er für die Vermittlung eines Milliardengeschäftes zwischen der spanischen Industrie und Saudi-Arabien eine millionenschwere Kommission kassiert habe.

2018 wurden Audiobänder mit Sayn-Wittgenstein Aussagen von spanischen Medien veröffentlicht. Daraufhin starteten Staatsanwälte in der Schweiz und in Spanien Ermittlungen und förderten seitdem Verdächtiges zutage. Demzufolge soll Juan Carlos 2008 rund 100 Millionen Dollar auf seinem Schweizer Konto kassiert haben. Absender der Summe war, heißt es, die saudi-arabische Regierung.

Geldkoffer

2010 soll der König nach Aussage seines Schweizer Vermögensverwalters mit einem Koffer voller Dollarnoten im Wert von 1,7 Millionen Euro in Genf aufgetaucht sein, um diese Summe bei seiner Bank einzuzahlen. Weitere verdächtige Zahlungsvorgänge, die offenbar auch über Schweizer Konten der Ex-Geliebten Sayn-Wittgenstein liefen, werden noch untersucht. 

Nun prüft Spaniens Staatsanwaltschaft, ob Juan Carlos angeklagt wird. Das ist im Fall des früheren königlichen Staatschefs nicht einfach. „Die Person des Königs ist unantastbar“, heißt es in der spanischen Verfassung. Der König kann somit nur für seine Handlungen nach seiner Abdankung im Juni 2014 strafrechtlich verfolgt werden.

Steuerhinterziehung

Darum geht es nun: Hat Juan Carlos auch nach seinem Abtritt ausländische Konten benutzt, um Geld vor dem Finanzamt zu verstecken? Dann wäre eine Anklage wegen Steuerhinterziehung und Geldwäsche schwerlich zu vermeiden.

Dem alten König bleibt nur noch das innere Exil
Dem alten König bleibt nur noch das innere Exil © AFP

Währenddessen fragen sich viele Spanier, wie jener Mann, der nach Ende der Franco-Diktatur 1975 Staatschef wurde und jahrzehntelang als Vater der spanischen Demokratie gefeiert wurde, so tief fallen konnte. Verlor er die Bodenhaftung, weil er wusste, dass er als König über dem Gesetz stand?

Selbst spanische Beobachter, die Juan Carlos jahrzehntelang mit Sympathie begleitet haben, zeigen sich nun entsetzt. „Es tut weh“, sagt Königshausexpertin Victoria Prego, „wie das gigantische öffentliche Werk des Königs zerstört wird – und zwar durch den König selbst.“