Bis zur US-Präsidentenwahl sind es noch sechs Monate. Das ist dann auch schon die einzige gute Nachricht für Donald Trump (73). Denn die Coronakrise hat seine Chancen auf eine Wiederwahl im November dramatisch geschmälert. Geschieht kein Wunder, dürfte der Republikaner gegen seinen demokratischen Kontrahenten Joe Biden (77) untergehen. Der Grund ist so einfach wie klar: "It's the economy, stupid".

Die Corona-Epidemie hat nämlich auch die USA in die tiefste wirtschaftliche Krise seit der Großen Depression der 1930er Jahre stürzen lassen. Für heuer sagt der Internationale Währungsfonds (IWF) ein Wachstum von -5,9 Prozent voraus. Trumps Wirtschaftsberater Kevin Hassett sprach gar von einem "Schock historischen Ausmaßes". "Ich denke, die nächsten Monate werden schrecklich sein. Sie werden Zahlen sehen, die so schlecht ausfallen wie nie zuvor", sagte er. Trump bleibt dennoch optimistisch und klammert sich an die schwindende Hoffnung, dass die US-Wirtschaft im zweiten Halbjahr vielleicht doch wieder wachsen wird.

Denn von kaum einem Faktor hängen die Wiederwahlchancen eines US-Präsidenten stärker ab als von der Wirtschaftsentwicklung. Seit dem Jahr 1900 hat nämlich nur ein einziger US-Präsident während einer Rezession die Wiederwahl geschafft: Harry Truman im Jahr 1948. Allerdings hatte der Abschwung damals erst wenige Tage vor der Präsidentschaftswahl begonnen. Die Präsidenten William Taft (1912), Herbert Hoover (1932), Jimmy Carter (1980) und George H.W. Bush (1992) wurden jeweils inmitten einer Rezession abgewählt. Sie waren übrigens auch die einzigen Amtsinhaber, denen die Wähler im vergangenen Jahrhundert eine zweite Mandatsperiode verweigerten.

Entsprechend betont der US-Politikwissenschafter Alan Abramowitz in einer aktuellen Analyse, dass eine schrumpfende Wirtschaft im aktuellen Quartal Trumps Wiederwahlchancen zunichte machen würde. Es bräuchte zumindest "moderates" Wirtschaftswachstum, verbunden mit besseren persönlichen Zustimmungswerten, damit Trump als Favorit in die Wahl gehen könne, schreibt Abramowitz in einer auf den Ergebnissen von elf früheren Präsidentenwahlen beruhenden Analyse.

Dabei hatte das Wahljahr für den Amtsinhaber doch so gut begonnen. Mit massivem Deficit Spending und einer Deregulierungspolitik hatte er die Arbeitslosenquote auf 3,5 Prozent gedrückt, den niedrigsten Stand seit 1969. Die oppositionellen Demokraten waren zu diesem Zeitpunkt in einem chaotischen Vorwahlprozess verstrickt, in dem der linksgerichtete Senator Bernie Sanders Oberwasser hatte. Trump machte kein Hehl daraus, dass er sich den "demokratischen Sozialisten" als Gegenkandidaten wünschte.

Doch der März stellte das komplette Wahlrennen auf den Kopf: Rechtzeitig vor dem "Super Tuesday" versammelte sich das moderate Lager hinter Ex-Vizepräsident Biden, der Sanders umgehend überflügelte. Dann traf die Coronakrise auch die USA mit voller Wucht. Nachdem Trump noch Mitte Februar die Erwartung geäußert hatte, dass das Coronavirus "im April auf wundersame Weise weggehen wird", musste er angesichts steigender Fallzahlen eine dramatische Kehrtwende hin zu einer Lockdown-Politik mit dramatischen wirtschaftlichen Folgen vollziehen.

Mit täglichen Pressekonferenzen versucht sich Trump nun als Corona-"Kriegspräsident" zu profilieren, doch macht er dabei keine besonders gute Figur. Während andere Regierungschefs vom Coronabonus profitieren, kommen Trumps Zustimmungswerte nicht vom Fleck. Im Gegenteil: In einer Ende April durchgeführten Umfrage gaben nur noch 47 Prozent der Amerikaner an, die Ratschläge Trumps in der Coronakrise befolgen zu wollen, um 15 Prozentpunkte weniger als in einer früheren Umfrage. 98 Prozent sagten, dass sie sich nicht - wie von Trump insinuiert - Bleichmittel zu Desinfektionszwecken injizieren würden.

Trumps Kontrahent scheint indes ohne die große Wahlkampfbühne auszukommen. Im aktuellen Umfragemittel der Seite "Real Clear Politics" liegt der seit Wochen in Corona-Isolation sitzende Biden landesweit mit 48,4 zu 42,1 Prozent gegen Trump in Führung. Im wichtigen Swing State Pennsylvania beträgt Bidens Vorsprung 6,7 Prozentpunkte, in Wisconsin 2,7 Prozentpunkte und in Florida 3,2. Die drei Staaten hatten bei der Präsidentenwahl 2016 den Ausschlag zugunsten Trumps gegeben. Von entscheidender Bedeutung ist dabei Florida, weil der Amtsinhaber ohne einen Sieg im "Sunshine State" kaum eine Chance hat, die erforderlichen 270 Wahlmännerstimmen für den Sieg zu sammeln.

In den Sternen steht freilich, wie die Wahl durchgeführt wird. Nachdem mehrere Vorwahlen wegen der Corona-Pandemie verschoben oder komplett auf Briefwahl umgestellt wurden, ist bereits eine heftige Debatte über die Wahlmodalitäten entbrannt. Beobachter befürchten ein Chaos, da die Organisation des Urnenganges in alleiniger Zuständigkeit der 50 Bundesstaaten liegt. Die Demokraten drängen auf eine massive Ausweitung der Briefwahl, was die Republikaner unter Verweis auf die angebliche Manipulationsgefahr ablehnen.

Ein Horrorszenario wäre, dass die USA gerade im Herbst von einer neuen Coronavirus-Welle heimgesucht würden. Wie schon bei der von der Spanischen Grippe überschatteten Kongresswahl 1918 könnte sich dies massiv dämpfend auf die Stimmbeteiligung auswirken. Eine Verschiebung der Wahl ist nur um wenige Wochen möglich, weil es spätestens am 20. Jänner 2021 einen neu gewählten Präsidenten geben muss.