Der britische Premier Boris Johnson ist am Ostersonntag aus dem Spital  entlassen worden. Er werde auf Anraten der Ärzte aber nicht sofort wieder mit seiner Arbeit beginnen, teilte ein Regierungssprecher mit. Johnson wolle allen im St. Thomas' Hospital für die "brillante Pflege" danken, die er erhalten habe, so der Sprecher. Der 55-Jährige werde sich auf dem offiziellen Landsitz des Premiers, Chequers in der Nähe von London, erholen.

Schon am Vortag hatte sich Johnson bei den Mitarbeitern bedankt. "Ich kann ihnen nicht genug danken. Ich verdanke ihnen mein Leben", sagte der Premier. Wie die Nachrichtenagentur PA unter Berufung auf Regierungskreise berichtete, erhielt Johnson im Krankenhaus Briefe und Baby-Ultraschallbilder von seiner schwangeren Verlobten Carrie Symonds sowie Tausende Karten mit Genesungswünschen. Zudem habe er sich unter anderem mit Filmen die Zeit vertrieben.

Raab vertritt weiterhin Johnson

Der Politiker war am vergangenen Sonntag ins Krankenhaus gebracht worden. Er verbrachte zwischenzeitlich drei Tage auf der Intensivstation der Klinik, nachdem sich sein Gesundheitszustand deutlich verschlechtert hatte. Am Donnerstag war er wieder auf eine normale Station verlegt worden. Johnson wird derzeit von Außenminister Dominic Raab vertreten. Die Befugnisse eines Regierungschefs hat Raab aber nicht. Die ungeschriebene Verfassung der Briten sieht keine klare Regelung für den Fall vor, dass der Regierungschef ausfällt. Es wird damit gerechnet, dass Johnson noch mehrere Wochen fehlen könnte.

Horrorprognose für die Briten

Doch bei aller Freude über die Genesung von Johnson ereilte die Briten am Ostersonntag auch eine schlechte Nachricht. Großbritannien könnte nach Einschätzung der Wellcome-Stiftung in der Bilanz das am schlimmsten von der Corona-Pandemie betroffene Land in Europa werden. Im Vereinigten Königreich werde die Todesrate möglicherweise die höchste sein, sagte Stiftungsdirektor Jeremy Farrar der BBC. Zweifellos müsse man aus der derzeitigen Lage Lehren ziehen, betonte er. Massentests könnten noch helfen, Zeit zu gewinnen, um das Gesundheitswesen aufzurüsten.

Nach dem jetzigen Ausbruch rechnet der Experte, der auch die britische Regierung berät, mit einer zweiten und dritten Welle. Er hoffe auf einen Impfstoff bis Herbst, dann müsse noch die Produktion für die Impfung vieler Millionen Menschen hochgefahren werden. "Ich würde hoffen, dass wir das in zwölf Monaten schaffen, aber das ist an sich schon ein beispielloser Ehrgeiz", so Farrar.

Todeszahl steigt über magische Schwelle

Die Zahl der in den britischen Statistiken erfassten Todesfälle bei mit dem Coronavirus infizierten Menschen drohten noch am Sonntag die 10.000er-Marke zu überschreiten. Experten gehen aber davon aus, dass die tatsächliche Zahl weitaus höher liegen dürfte, vor allem weil viele Opfer in Altersheimen noch nicht eingerechnet worden sind.

Großbritannien hat den Höhepunkt der Pandemie noch nicht erreicht. Es wird daher vermutet, dass die Ausgangsbeschränkungen verlängert werden. Im Land mangelt es vor allem an Tests, Schutzausrüstung und Beatmungsgeräten. Der staatliche Gesundheitsdienst NHS (National Health Service) ist chronisch unterfinanziert und marode. Die in London ansässige Wellcome-Stiftung setzt sich für die Verbesserung der weltweiten Gesundheit ein.