Es ist noch nicht lange her, da begann jeder Bericht über die Lage an der amerikanisch-mexikanischen Grenze mit dem Satz: „Die USA schotten sich ab.“ Vor allem die Korrespondenten und Reporter der privaten und öffentlich-rechtlichen Sender, die sich in das amerikanisch-mexikanische Grenzgebiet gewagt hatten, waren aufrichtig empört. Die USA weigerten sich, Abertausende Migranten ins Land zu lassen, obwohl sie Zuwanderern so viel verdankten! Familien würden auseinandergerissen, Kinder in die Obhut fremder Menschen übergeben.

Wie die Lage derzeit an der amerikanisch-mexikanischen Grenze ist, weiß ich nicht, denn meine Kollegen haben das Gebiet verlassen und berichten inzwischen darüber, wie sich zwei andere Länder abschotten: Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern im Norden der Republik, die stolz ist auf ihre „Willkommenskultur“, die sie gegenüber Migranten aus aller Welt praktiziert. Denn: „Kein Mensch ist illegal!“

Freilich: Seit auch das Coronavirus zugewandert ist, wird „Willkommenskultur“ neu definiert. Schleswig-Holstein („Land der Horizonte – der echte Norden“) und Mecklenburg-Vorpommern („MV tut gut – Willkommen im Land zum Leben“) lassen nur noch Bürger einreisen, die mit ihrem ersten Wohnsitz in SH beziehungsweise MV gemeldet sind. Alle anderen, sowohl Touristen wie Besitzer von Ferienhäusern, werden an der Grenze abgewiesen oder aufgefordert, das Land umgehend zu verlassen.

Zum ersten Mal, seit die innerdeutsche Grenze vor 30 Jahren gefallen ist, können sich Deutsche in ihrem Land nicht frei bewegen, Familienangehörige besuchen oder ihre Immobilien nutzen. Es handle sich, sagt die Ministerpräsidentin von MV, Manuela Schwesig, um eine Vorsorgemaßnahme, „um die Gesundheit der Bevölkerung zu schützen“, es sei wichtig, „dass jetzt alle zu Hause bleiben“ und nicht kreuz und quer durch Deutschland reisen. Dabei gibt es kein generelles Reiseverbot
in Deutschland, aber die Bundesländer haben das Recht, im Notfall restriktive Maßnahmen anzuordnen.

Und so gilt einstweilen die Parole „Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern zuerst!“. Nicht, dass die Bundesrepublik plötzlich fremdenfeindlich geworden wäre. Es trifft ja nur die eigenen Bürger.

Henryk M. Broder ist Kolumnist der „Welt“ „Weltwoche“ und der Kleinen Zeitung.
Henryk M. Broder ist Kolumnist der „Welt“ „Weltwoche“ und der Kleinen Zeitung. © (c) imago stock&people (imago stock&people)