Der Europäische Gerichtshof in Luxemburg (EuGH) entschied am Donnerstag, dass die spanische Justiz EU-Recht verletzte, als sie dem inhaftierten katalanischen EU-Abgeordneten Oriol Junqueras den Antritt seines Mandats verweigerte.

Das Urteil dürfte sich auch auf den Fall des exilierten Katalanen-Führer Carles Puigdemont auswirken. Junqueras, der frühere Vizepräsident der autonomen Regierung von Katalonien, wurde nach dem vom spanischen Verfassungsgericht ausgesetzten Unabhängigkeitsreferendum in Katalonien im Oktober 2017 zusammen mit zahlreichen weiteren Menschen in Untersuchungshaft genommen und dann im Oktober 2019 verurteilt. Zuvor allerdings war er im Mai 2019 in das EU-Parlament gewählt worden. Regionalpräsident Puigdemont entzog sich der Strafverfolgung, indem er ins Exil nach Belgien floh.

Junqueras, Puigdemont und der ebenfalls exilierte Regionalparlamentsabgeordnete Toni Comín wurden im Mai 2019 ins EU-Parlament gewählt. Die spanischen Behörden verweigerten den drei Katalanen aber die Aufnahme ihres Mandats, ihre Sitze im EU-Parlament blieben vakant. Junqueras zog dagegen vor Gericht, der Fall landete in Luxemburg.

"Die Gerechtigkeit ist aus Europa gekommen. Unsere Rechte und diejenigen von 2.000.000 Bürgern, die uns gewählt haben, wurden verletzt", schrieb Junqueras auf Twitter.

Die EU-Richter entschieden nun unter Verweis auf die parlamentarische Immunität, dass Spanien den Mandatsantritt und die Teilnahme an der konstituierenden Sitzung des EU-Parlaments nicht hätte verhindern dürfen. Erst nach Antritt hätte die spanische Justiz die Aufhebung der Immunität des Katalanen beantragen können.

Junqueras wurde am 14. Oktober 2019 zu 13 Jahren Haft verurteilt. Gegen Puigdemont und Comín liegen zum wiederholten Mal Europäische Haftbefehle vor, über deren Vollstreckung die belgischen Behörden bisher nicht entschieden haben. Die Gültigkeit des Urteils und der Haftbefehle sind infolge des EuGH-Entscheids nun in Frage gestellt.

Das EU-Parlament könne den Exil-Katalanen nun nicht mehr verweigern, ihre Sitze einzunehmen, sagte einer von Puigdemonts Anwälten, der Belgier Simon Bekaert, der Nachrichtenagentur AFP. "Die Immunität bedeutet, dass sie nicht nach Spanien ausgeliefert werden können, es sei denn, das Parlament hebt die Immunität auf", fügte er hinzu.

Ähnlich die Delegationschefin der österreichischen Grünen im EU-Parlament, Monika Vana. Sie forderte, dass "Spanien Oriol Junqueras jetzt endlich die Möglichkeit geben muss, sein Mandat als Europaparlamentarier anzutreten". 1,2 Millionen Menschen hätten ihn gewählt und deren Stimme gehöre repräsentiert, so Vana in einer Stellungnahme für die APA.

Der Oberste Gerichtshof Spaniens, der den EuGH angerufen hatte, setzte der Staatsanwaltschaft und der Verteidigung von Junqueras eine Frist von fünf Tagen, um ihre Argumente vorzutragen. Dann soll eine Entscheidung fallen. Junqueras' Partei Esquerra Republicana de Catalunya (ERC) forderte seine sofortige Freilassung.

EU-Parlamentspräsident David Sassoli forderte die spanische Justiz auf, die Entscheidung aus Luxemburg zu respektieren. Er habe den Rechtsdienst des Parlaments beauftragt zu prüfen, "welche Auswirkungen das Urteil auf die Zusammensetzung unseres Parlaments haben wird", sagte er am Donnerstag in Straßburg.

Das Oberste Gericht Spaniens teilte mit, man werde das EuGH-Urteil "eingehend studieren". Die Ankläger und die Verteidigung von Junqueras seien zu Stellungnahmen innerhalb der nächsten fünf Tage aufgefordert worden, berichteten die Zeitung "El País" und andere Medien.

Indes verhängte ein Gericht in Barcelona eine 18-monatige Amtssperre gegen den amtierenden katalanischen Regionalpräsidenten Quim Torra. Der 56-Jährige hatte sich im Frühjahr der Anordnung der spanischen Wahlbehörde widersetzt, eine gelbe Solidaritätsschleife und ein Banner vom Sitz der Regionalregierung zu entfernen, auf dem "Freiheit für politische Gefangene und Exilierte" stand. Das Urteil aus Barcelona war zunächst nicht rechtskräftig.